Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie gesund sind die Deutschen wirklich?

Studie Ernährung, Bewegung, Wohlbefind­en: Das Bundesamt für Statistik durchleuch­tet die Bevölkerun­g und rechnet mit Klischees ab

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Deutschlan­d hat eines der teuersten Gesundheit­ssysteme der Welt, in der Gesellscha­ft geht der Trend scheinbar zu gesünderer Ernährung und mehr Sport. Also: „Wie gesund leben wir?“Diese Frage stellten sich jetzt die Experten des Statistisc­hen Bundesamts und holten aus ihrem gigantisch­en Datenberg eine Menge interessan­ter Antworten. Sie widerlegen dabei manche landläufig­e Vorstellun­g.

Etwa dass sich die Bundesbürg­er tatsächlic­h gesünder ernähren, lässt sich anhand nüchterner Zahlen kaum belegen. Im Gegenteil. Die Deutschen geben eher weniger für Obst aus, obwohl die Preise stark gestiegen sind. Pro Kopf essen sie 65 Kilo Frischobst – vor 15 Jahren waren es noch zehn Kilo mehr. Und trotz des öffentlich­en Rummels um vegetarisc­he oder vegane Ernährung sank der Verzehr von Fleisch und Wurstwaren seit dem Jahr 2001 nur um ein einziges Kilo auf 87 Kilogramm im Jahr pro Bundesbürg­er.

Lediglich bei Fett, Butter und Zucker sparten die deutschen Verbrauche­r zehn Prozent der Menge im Vergleich zu 2001. Unter dem Strich nimmt der Durchschni­ttsdeutsch­e in seiner Nahrung damit 32 Kilo reinen Zucker im Jahr zu sich – das entspricht der Hälfte der verzehrten Menge Frischobst. Dafür landet im Jahr immerhin 97 Kilo frisches Gemüse auf dem Teller, drei Kilo mehr als vor 15 Jahren. Auch der Zigaretten- und Alkoholkon­sum ging um über zehn Prozent zurück. Dennoch überrascht es nicht, dass die Zahl der stark Übergewich­tigen zunimmt.

So leidet inzwischen jeder sechste Deutsche an Adipositas-fettleibig­keit – das heißt, sein sogenannte­r Body-mass-index liegt über 30. Mit rund elf Millionen Betroffene­n liegt die Zahl bundesweit fast 40 Prozent höher als vor 15 Jahren. Nur ein Viertel der Bevölkerun­g treibt regelmäßig Sport. Rechnet man die bewusste körperlich­e Bewegung wie Laufen und Spaziereng­ehen dazu, kommen die Sporttreib­enden damit auf eineinhalb Stunden pro Tag. Der Durchschni­ttsbürger verwendet laut den Statistike­rn am Tag nur 27 Minuten für körperlich­e Bewegung. Zum Vergleich: Vor dem Fernseher verbringen die Deutschen täglich gut zwei Stunden.

Doch geht es den Bundesbürg­ern dabei gesundheit­lich schlecht? Nein, sagen zwei Drittel der Bevölkerun­g. Sie bewerten ihren Gesundheit­szustand als gut oder sehr gut. Nur acht Prozent erklären, ihnen gehe es gesundheit­lich schlecht oder sehr

Das Gesundheit­ssystem zählt zu den teuersten der Welt

schlecht. Dabei gibt es kaum Unterschie­de zwischen Frauen und Männern. Statistisc­h war jeder Vierte einmal im Jahr im Krankenhau­s – allerdings ist diese Zahl durch Mehrfachau­fenthalte stark verzerrt.

Und auch die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung steigt von Jahr zu Jahr: Ein Mädchen, das heute in Deutschlan­d auf die Welt kommt, wird demnach im statistisc­hen Durchschni­tt 83 Jahre alt, ein Junge 78 Jahre. Seit der deutschen Reichsgrün­dung 1871 haben die Menschen hierzuland­e im Schnitt über 40 Lebensjahr­e dazugewonn­en, wie die Wiesbadene­r Statistike­r anhand historisch­er Sterbetafe­ln ausrechnet­en.

Ein wesentlich­er Grund für diese Entwicklun­g ist sicher die medizinisc­he Versorgung: Das Gesundheit­ssystem lassen sich die Deutschen viel kosten. Die Ausgaben stiegen seit 2001 um mehr als 50 Prozent auf rund 330 Milliarden Euro im Jahr. Mit Pro-kopf-ausgaben von über 4000 Euro liegt Deutschlan­d dabei weltweit auf Platz sechs hinter den Niederland­en, Schweiz, Norwegen, Luxemburg und Spitzenrei­ter USA mit 8650 Euro pro Kopf.

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