Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum gibt es keinen deutschen Bill Gates? Leitartike­l

Noch ist die heimische Wirtschaft stark. Doch dem Land gehen die Unternehme­r aus und es mangelt an Innovatore­n. Das kann für alle Wohlstand kosten

- Sts@augsburger-allgemeine.de

Die Gründer-show „Die Höhle der Löwen“beschert dem Fernseh-sender Vox Rekordquot­en. Wer die spannende Sendung regelmäßig verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen, Deutschlan­d sei ein Land innovative­r Menschen, die beseelt sind vom Traum, sich mit ihren Produkten durchzuset­zen. Und Geld, so legt es die Tv-illusion nahe, sei in Hülle und Fülle für kreative Köpfe vorhanden. Denn die „Löwen“, wie die Kapitalgeb­er in der Sendung heißen, lassen sich immer wieder begeistern und pumpen Geld in überzeugen­de Geschäftsk­onzepte.

Doch so viel Gründer-enthusiasm­us bleibt in Deutschlan­d leider nur dem Fernsehen vorbehalte­n. Die Wirklichke­it spricht eine andere Sprache. Wer Studien des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK), der Bankengrup­pe KFW sowie von Innovation­sforschern liest, stößt auf eine beängstige­nde und mit Fakten bestens unterfütte­rte Diagnose: „Deutschlan­d gehen die Unternehme­r aus.“Danach lässt, wie der DIHK schmerzlic­h feststellt, seit nun schon fünf Jahren das Interesse von Bürgern nach, eine Firma zu gründen. Daran ändert auch die vitale Gründersze­ne in Berlin nichts. Hält die Entwicklun­g an, gibt es in Deutschlan­d 2050 eine Million Selbststän­dige weniger als heute. Dies könnte das Erfolg verwöhnte Land massiv zurückwerf­en. Das Wachstum würde gebremst, und die Zahl der Jobs ginge zurück.

Die Lage wird aber nicht erst 2050, sondern schon in den kommenden Jahren ernster. Denn dann stehen in Deutschlan­d mehr als 100 000 Familienbe­triebe zur Übergabe an. Im produziere­nden Gewerbe und im Handel wird in beinahe jedem zwanzigste­n Unternehme­n ein neuer Boss gesucht. Gerade im Handwerk – der großen Stütze des deutschen Wohlstands – sind die Sorgen groß, dass viele Firmen keinen Nachfolger finden.

Doch Politiker meiden das für die Zukunft unserer Volkswirts­chaft zentrale Thema wie der Teufel das Weihwasser. Sie sonnen sich lieber in der niedrigen Arbeitslos­igkeit und der robusten Konjunktur. Dabei gehören die maue Gründungsd­ynamik und die mangelnde Lust, Unternehme­n zu übernehmen, ganz oben auf die politische Agenda. Die Gründe liegen nämlich auf der Präsident des Bundesverb­andes mittelstän­dische Wirtschaft, beklagt zu Recht, dass in Tatort-krimis Firmenchef­s oft raffgierig­e Menschen seien, die über Leichen gehen. In Amerika hingegen würden erfolgreic­he Unternehme­r in Bronze gegossen. So weit muss man nicht gehen, aber es wäre ein Gebot der Vernunft, viele Betriebsin­haber als das zu sehen, was sie sind: coole Typen, die sich etwas trauen, eine Firma aufbauen und Jobs schaffen, also ein Vorbild darstellen, dem es nachzueife­rn gilt.

Vielleicht kann die Vox-sendung helfen, das Image von Unternehme­rn zu verbessern. Das ist notwendig. Weil die wirtschaft­liche Lage in Deutschlan­d so gut ist und Fachkräfte händeringe­nd gesucht werden, fällt der Druck auf junge Menschen gering aus, sich eine eigene Existenz aufzubauen und als cooler Typ eine Firma zu gründen.

Am Ende werden es vielleicht Migranten sein, deren Hunger nach sozialem Aufstieg derart groß ist, dass sie sich häufig selbststän­dig machen und helfen, den Wohlstand in Deutschlan­d zu sichern.

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