Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sie ist keine Amerikanerin
Porträt Lady Liberty ist ein Symbol, spielt in Kino-filmen mit und steht eindeutig für die USA. Dabei stammt die Freiheitsstatue aus einem ganz anderen Land
Würde das (oder eine andere Listen liebende Zeitschrift) herausfinden wollen, wer die 100 bekanntesten Amerikanerinnen sind, müsste diese Frau Platz eins belegen: Lady Liberty, die Freiheitsstatue. Denn der Koloss aus Kupfer und Eisen ist nicht nur eine der am häufigsten fotografierten Sehenswürdigkeiten der Welt, er steht auch wie kein anderes Wahrzeichen für die USA.
Dabei kommt die grüne Dame gar nicht aus Amerika. Genau heute vor 130 Jahren – damit sei ihr Alter verraten, was man bei Damen normalerweise nicht macht – kam sie als Geschenk der Franzosen in die Staaten. Der Anlass war der 100. Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeit, doch leider wurde sie zehn Jahre zu spät fertig.
Die Idee, den Amerikanern eine Statue zu schenken, hatte Édouard René de Laboulaye, damals Präsident der französisch-amerikanischen Gesellschaft. Er wollte nicht nur die amerikanischen Errungenschaften würdigen, er hoffte auch, dass seine Landsleute so inspiriert würden, weiter nach Demokratie zu streben. Lady Libertys Vater ist der Bildhauer Frédéric Bartholdi. Er baute die Statue gemeinsam mit dem Ingenieur Gustave Eiffel, dem Paris den Eiffelturm verdankt. Sie setzt der römischen Göttin der Freiheit, Libertas, ein Denkmal – und Bartholdis Mutter Charlotte. Denn nach ihrem Antlitz soll er das Gesicht der Statue of Liberty modelliert haben. Doch statt Lady Charlotte Liberty heißt sie mit vollem Titel „Liberty enlightens the World“, Freiheit erhellt die Welt. Und obwohl ihr die Mutter fehlt, hat sie inzwischen zahlreiche Zwillingsschwestern auf der ganzen Welt. Es sei noch etwas verraten, wonach man Frauen niemals fragt: ihr Gewicht. 204 Tonnen, dabei ist sie hohl. Über 393 Stufen kann man in ihre Krone steigen und auf Manhattan schauen. Ein Ausblick, der manche auf besondere Ideen bringt: Nach den Anschlägen vom 11. September durfte aus Sicherheitsgründen acht Jahre lang niemand in die Krone klettern. Zu den ersten Besuchern danach gehörte am 4. Juli 2009 ein junges Paar aus Kalifornien. Er hielt an diesem Ort um ihre Hand an. Vorfahren der beiden waren über Ellis Island, die Nachbarinsel von Liberty Island, wo die Freiheitsstatue steht, in die Vereinigten Staaten gekommen – so wie Millionen andere. Die Freiheitsstatue war oft das Erste, was Einwanderer von ihrer neuen Heimat sahen. Ein Gedicht am Sockel erinnert daran. Darin sagt die Mutter der Verbannten, wie die Dichterin Emma Lazarus die Freiheitsstatue nennt: „Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren.“
Immer noch steht Lady Liberty für Hoffnung. Das weiß auch Hollywood, das die gebürtige Französin schon längst für sich entdeckt hat. Leider haben ihre Rollen meist etwas Trauriges: Steht der Weltuntergang bevor, stirbt sie immer als eine der Ersten.