Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sicherheit geht vor Datenschutz
Minister will mehr Videoüberwachung
Berlin Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mehr Plätze per Video überwachen lassen. Dafür bekam der Cdu-politiker gestern viel Unterstützung aus den Bundesländern. Allerdings hat er mit seinem Vorgehen den Koalitionspartner SPD vor den Kopf gestoßen. Die Sozialdemokraten wollen die Beratungen mehrerer Sicherheitsgesetze angeblich blockieren. Sie sollen verärgert darüber sein, dass de Maizière – entgegen anderslautender Absprachen – das Gesetz ohne vorherige Rücksprache in die Ressortabstimmung gegeben habe. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhof ist skeptisch. Das berechtigte Interesse an einer Überwachung des öffentlichen Raums sei mit den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen abzuwägen.
Für den saarländischen Innenminister Klaus Bouillon (CDU) ist dagegen klar: Die Sicherheit der Menschen muss im Zweifel über dem Schutz der Daten stehen. Sein hessischer Amts- und Parteikollege Peter Beuth sprach von einem „wichtigen Baustein, um den öffentlichen Raum sicherer zu machen“. Am Mittwoch war der Gesetzentwurf bekannt geworden, mit dem de Maizière auf die Gewalttaten von München, Ansbach und Würzburg reagiert. Vor allem privaten Betreibern soll das Installieren von Kameras in Einkaufszentren und Fußballstadien erleichtert werden.
Bei Terrorgefahr ist bereits jetzt Videoüberwachung an Einkaufszentren oder sonstigen öffentlich zugänglichen Orten möglich. Der Minister
Datenschützer sollen es mit ihrem Veto schwerer haben
will bei der Abwägungsentscheidung für oder gegen eine Überwachung der öffentlichen Sicherheit mehr Gewicht einräumen als bislang. Sein Ministerium verweist darauf, dass die Landesdatenschützer bei ihren Entscheidungen häufig sehr restriktiv vorgingen – und eine Überwachung aus Datenschutzgründen untersagen. In der Tat bekommen zwar Einzelhändler häufig die Genehmigung für eine Überwachung ihres Geschäfts, um gegen Ladendiebe vorgehen zu können. Doch die Datenschützer legen oft ihr Veto ein, wenn in der Passage eines Einkaufszentrums eine Kamera installiert werden soll.
Deshalb will de Maizière nun ins Gesetz schreiben, dass bei öffentlich zugänglichen Anlagen die Erhöhung der Sicherheit „als wichtiges Ziel“bei der Abwägungsentscheidung festgeschrieben wird. Damit soll es den Datenschützern erschwert werden, zu einer Videoüberwachung Nein zu sagen. Ein wichtiger Punkt ist auch die Videoüberwachung an Bahnhöfen. Die Bundespolizei darf dort dem entsprechenden Gesetz zufolge „selbsttätige Bildaufnahmeund Bildaufzeichnungsgeräte“einsetzen, um Gefahren für Menschen oder Einrichtungen der Bahn zu erkennen. Dafür nutzt die Bundespolizei die Videotechnik der Bahn – sie hat derzeit Zugriff auf 6400 Kameras des Verkehrsunternehmens. Der Bund will nun an einem Pilotbahnhof den Einsatz intelligenter Videotechnik erproben. Diese soll es ermöglichen, Gesichter zu erkennen und somit etwa Terrorverdächtige zu identifizieren.
Kritiker wenden ein, dass der Einsatz von Kameras keine Anschläge verhindert. So verweist die Linke darauf, dass Videoüberwachung zwar helfen könne, nachdem etwas passiert sei. Zur Erhöhung der Sicherheit tauge die Überwachung aber nicht. Es wäre zudem ein erheblicher Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, wenn künftig die Gesichter von Passanten „durch Datenbanken laufen würden“, warnt der Hamburger Datenschutzbeauftragte.