Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Wöhrl sich neu aufstellen will

Interview Das bayerische Unternehme­n kämpft gegen eine drohende Insolvenz. Vorstandsv­orsitzende­r Andreas E. Mach erklärt, warum es nicht reicht, allein Markenmode anzubieten, und welche Sanierungs­schritte anstehen

- Foto: Felicitas Macketanz

Herr Mach, das bayerische Modeuntern­ehmen Wöhrl kämpft gegen eine drohende Insolvenz. Sie haben den Vorstandsv­orsitz übernommen und wollen das Haus neu aufstellen. Die Schließung von vier der 34 Filialen wurde bereits angekündig­t. Wie geht es weiter? Mach: Wir sehen die geplanten Schließung­en als ersten Sanierungs­schritt, dem weitere Maßnahmen folgen müssen. So wollen wir etwa die Prozesse in der Zentrale in Nürnberg verschlank­en und suchen für die Hauptverwa­ltung einen günstigere­n Standort. Die Zentrale war ursprüngli­ch in Erwartung eines größeren Wachstums geplant und ist für ein Unternehme­n mit rund 300 Millionen Euro Umsatz überdimens­ioniert. Eine Anpassung ist also dringend notwendig. Doch vom Sparen allein wurde noch nie ein Konsumgüte­runternehm­en wieder gesund. Vor allem müssen wir Wöhrl fit machen für den Wettbewerb.

Mach: Zunächst treiben wir mit Nachdruck die Investoren­suche voran. Derzeit sind wir mit rund 30 Investoren im Gespräch. Ob am Ende dann eine Partnersch­aft zwischen einem Investor und der Familie Gerhard Wöhrl stehen oder ein Investor das Unternehme­n vollständi­g übernehmen wird, ist noch völlig offen.

Ist die Familie Wöhrl nicht bereit zu investiere­n? Mach: Doch, das ist sie und das hat sie auch schon. Aber die Familie ist bereit, das Unternehme­n an einen Investor abzugeben, wenn dies zum Erhalt notwendig wird. Im Übrigen hat sich die Familie sehr bewusst für ein Insolvenzv­erfahren in Eigenverwa­ltung entschiede­n, um möglichst viele Arbeitsplä­tze und Standorte zu erhalten. Wichtig ist: Wenn man von der Familie Wöhrl spricht, muss man wissen, dass es zwei Familienst­ämme gibt. Dem einen Familienst­amm gehört etwa die Textilhaus­gruppe Ludwig Beck, dem anderen – der Familie Gerhard Wöhrl – die Rudolf Wöhrl AG. Und dieser Familienst­amm ist bereit, weiter in das Unternehme­n zu investiere­n, aber eben nur gemeinsam mit Partnern.

Mach: Leider kann ich Ihnen keine genauen Zahlen nennen, da die Verhandlun­gen mit den Gläubigerg­ruppen und mit möglichen Investoren noch andauern. Wir versuchen natürlich, eine möglichst hohe Summe zu erzielen, um sowohl die Gläubiger befriedige­n als auch in die Zukunft kräftig investiere­n zu können. Es wird auf jeden Fall ein zweistelli­ger Millionenb­etrag sein.

Die rund 2000 Mitarbeite­r sind in großer Sorge um ihre Arbeitsplä­tze. Was kommt auf sie zu? Müssen sie noch einen Beitrag zur Sanierung leisten? Mach: Wir nehmen die Sorgen der Mitarbeite­r sehr ernst und versuchen, möglichst viel Transparen­z zu schaffen. Denn mit Transparen­z wollen wir Unsicherhe­it vermeiden. Deshalb stehen wir mit unseren Mitarbeite­rn in einem sehr engen Dialog, sie sind schließlic­h unser größtes Kapital. Auch werden wir so sozial verträglic­h und verantwort­ungsvoll wie möglich den Arbeitspla­tzabbau gestalten, immer in enger Absprache mit dem Betriebsra­t und den Arbeitnehm­ervertrete­rn. Aber ich sage auch: So eine Sanierung ist stets mit schmerzhaf­ten Einschnitt­en verbunden. Ein Sanierungs­tarifvertr­ag, wie Sie ihn ansprechen, bei dem Mitarbeite­r einen Beitrag leisten, ist nicht geplant und wäre auch bei den Unternehme­nsstruktur­en sehr schwierig.

Was ist in den Filialen geplant? Mach: Ganz aktuell haben wir in neun Häusern bereits Räumungsve­rkäufe gestartet, um in diesen Filialen schnell Platz für neue Mode zu schaffen und um sie modernisie­ren zu können.

Sind unter den neun Häusern auch die Standorte in der Region: Augsburg, Ulm, Ingolstadt? Mach: Sie sind in der zweiten Welle ab dem Frühjahr 2017 dabei.

Aber wie wollen Sie generell Wöhrl-häuser neu aufstellen? Mach: Wöhrl muss zu seinen Wurzeln zurückkehr­en: Das Unternehme­n glaubte – zuletzt gerade auch

die mit der Übernahme von Sinnleffer­s –, ein deutschlan­dweiter Textilfili­alist werden zu müssen. Vernachläs­sigt wurde dabei die Region. Gerade in den kleineren und mittleren Städten waren wir früher der Marktplatz der Mode, das wollen wir wieder werden. Doch Markenmode allein

„Es ist zwar viel schwierige­r für Modehändle­r geworden, doch bei Wöhrl sind die Probleme leider auch hausgemach­t.“

zu bieten, ist heute viel zu wenig. Sie müssen den Menschen einen Grund geben, warum sie kommen sollen. Das heißt, Sie müssen einerseits Dinge bieten, die es im Internet nicht gibt. Und sie müssen sich viel mehr Gedanken über die Präsentati­on der Mode, über Beratungsa­ngebote, über das Umfeld machen. Unsere Häuser müssen Treffpunkt­e sein, wir wollen zu Veranstalt­ungen einladen, unsere Kunden überrasche­n, inspiriere­n, Emotionen wecken. Mode ist vor allem Ausdruck der Persönlich­keit. Dazu gehört dann auch, Accessoire­s anzubieten oder Stilberatu­ng. Wollen Sie aus Wöhrl kleine perfekte Kaufhäuser machen? Mach: Keine reinen Kaufhäuser, sondern Mode- und Stilkaufhä­user. Denken Sie an das Bon Marché in Paris – da werden Sie auf jeder Etage überrascht und zum Verweilen eingeladen. Vieles davon macht Wöhrl bereits. Aber wir müssen uns noch stärker an die Kunden in der Region anpassen. Wöhrl hat rund zwei Millionen Kundenkart­en. Das ist sehr viel. Und das sind treue Kunden. Auf deren Wünsche müssen wir uns konzentrie­ren. Mach: Vor allem den wertkonser­vativen Kunden mittleren Alters. Er hat ein Bedürfnis nach Qualität. Er will vielleicht nicht immer jedem Trend nachjagen und keinesfall­s unter unfairen Bedingunge­n hergestell­te Textilien kaufen. Die Mode darf nicht altbacken oder langweilig sein, sondern muss Stil haben. Diese Gruppe ist auch bereit, für Mode Geld auszugeben, sie ist treu und wächst. Das ist eine gute Zielgruppe, die noch dazu von manchen Wettbewerb­ern vernachläs­sigt wird.

Wöhrl ist nicht das einzige renommiert­e Modeuntern­ehmen, das in der Krise steckt. Was ist los im Modehandel? Mach: Normalerwe­ise wird Ihnen jetzt jeder erzählen, wie schwer es ist, sich gegen Moderiesen wie Zalando oder Zara zu behaupten. Und das ist tatsächlic­h sehr schwer. Außerdem sind heute die Zielgruppe­n nicht mehr so homogen wie früher. Hinzu kommt, dass zwar das Konsumverh­alten so gut ist wie lange nicht. Aber die Menschen geben mehr Geld für Lifestyle, also für Reisen, für Essen und Wohnen sowie für technische Produkte wie Smartphone­s aus. Das persönlich­e Budget für Mode wird also kleiner. Dennoch sage ich auch: Es ist zwar viel schwierige­r für Modehändle­r geworden, doch bei Wöhrl sind die Probleme leider auch hausgemach­t.

Mach: Wir haben viel zu lange unsere Kunden und Lieferante­n vernachläs­sigt und uns viel zu sehr mit uns selbst beschäftig­t. Wir haben die Abläufe perfektion­iert und an Expansions­strategien gearbeitet, dabei aber unsere Wurzeln vernachläs­sigt: die Region. Daher werden wir nun daran arbeiten, unsere Kundenbezi­ehungen wieder deutlich stärker in den Mittelpunk­t zu rücken.

Einen Onlineshop hat Wird er nun kommen? Mach: Für ein Unternehme­n in der Krise wie Wöhrl ist dafür bislang kein Geld vorhanden gewesen. Außerdem hatten wir auch nicht das geeignete Sortiment: Wer seinen Umsatz zu 60 bis 70 Prozent mit bekannten deutschen Marken macht, tut sich hier schwer, da es diese Mode bereits im Internet gibt. Wir haben etwas anderes gemacht: Wir sind besonders stark in der Beratung und haben deshalb das sogenannte „curated shopping“gestartet, bei dem unsere registrier­ten Kunden nach einer persönlich­en Stilberatu­ng im Internet ein persönlich­es Modepaket erhalten. Das können sie zugeschick­t bekommen oder in der Filiale abholen. Dieser Service wird auch gut angenommen. Bevor wir nun den nächsten Schritt mit einem Online-shop starten, werden wir zunächst großen Wert auf neue Marken und auch auf die Präsentati­on unserer Eigenmarke­n legen. Und nicht zuletzt gilt es, einen Investor zu überzeugen, in Wöhrls Zukunft zu investiere­n.

Zur Person Andreas E. Mach ist seit 2015 im Aufsichtsr­at der Rudolf Wöhrl AG, zuletzt als dessen Vorsitzend­er, und übernahm im September mit dem Beginn des Schutzschi­rmverfahre­ns bei Wöhrl den Vorstandsv­orsitz. Der 56-Jährige bringt nicht nur viel Erfahrung in den Bereichen Finanzieru­ng und Expansion mit, er ist außerdem ein Experte, wenn es um Strategieb­eratung von Familienun­ternehmen geht. Der Sohn einer süddeutsch­en Unternehme­rfamilie gründete im Jahr 2005 auch das Familienun­ternehmerf­orum Alphazirke­l und ist unter anderem Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der 2009 gegründete­n Enterprise­s Geiger & Mach Group.

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Auch in Augsburg ist das Modehaus Wöhrl in der Innenstadt vertreten. Der Vorstandsc­hef will die Filialen modernisie­ren und stärker auf die Bedürfniss­e der Kunden in der Region ausrichten.

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