Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Streit und Stillstand bei Eurowings
Flugverkehr Fast 400 Flüge fallen bei der Airline aus, nächste Woche sollen es noch mehr sein. Warum die Luftfahrt in einer tiefen Krise steckt
Düsseldorf/berlin Der Flugbegleiter-streik beim Billigflieger Eurowings hat gestern große Teile des Flugverkehrs der Linie lahmgelegt. 40000 Passagiere waren betroffen. Für die kommende Woche kündigte die Kabinengewerkschaft Ufo eine Ausweitung auf zwei Streiktage an. Das Klima zwischen Geschäftsführung und Gewerkschaft ist mehr als frostig. Warum wird der Konflikt so verbissen ausgetragen und was läuft schief in der Luftverkehrsbranche?
Was ist der Auslöser des Arbeitskampfes?
Konkret geht es um die Bezahlung des Kabinenpersonals bei Euro- Deutschland – das sind ganze 450 Beschäftigte, von denen zumindest ein Teil gar nicht von Ufo, sondern von der Gewerkschaft Verdi vertreten wird. Sieben Jahre hatte Ufo vergeblich über Gehaltserhöhungen verhandelt, obwohl das Gehaltsniveau innerhalb des Lufthansa-konzerns am untersten Rand steht. Mehr Spielraum gebe es angesichts der knallharten Konkurrenz aber nicht, argumentiert die Linie. Man habe über drei Jahre gestreckt Erhöhungen und außerdem Zusatzleistungen angeboten, insgesamt ein Plus von sieben Prozent. Ufo erklärt, von diesem Angebot nur in der Zeitung gelesen zu haben.
Wie kann sich denn ein Streik so weniger Flugbegleiter so stark auswirken?
Die Gewerkschaft Ufo hat einen zeitgleichen Streik bei der größeren Schwestergesellschaft Germanwings organisiert und trifft damit den Gesamtbetrieb der Marke Eurowings hart. Ansatzpunkt bei Germanwings waren offene Tarifverhandlungen zum Thema Teilzeit. Das Unternehmen hält das für „absurd“und einen Trick. Die Verhandlungen zur Teilzeit hätten zuvor drei Jahre kaum Fortschritte gemacht, ohne dass das jemanden besonders gekümmert habe, sagte ein Sprecher. Die Fluglinie habe ohnehin nahezu alle Teilwings zeitwünsche der Beschäftigten berücksichtigt. Die Fluglinie prüft deshalb den Gang vors Arbeitsgericht.
Ständig Pilotenstreiks, dann das Bodenpersonal, jetzt die Kabinencrews – was ist nur los in der deutschen Luftfahrt?
Der Markt schrumpft in Deutschland: Im ersten Halbjahr 2016 ging das Geschäft branchenweit um 0,8 Prozent zurück – bei sechs Prozent Wachstum weltweit. Das erzeugt starken Spardruck auf alle Teile der Branche – und wütende Reaktionen. Zudem drücken die europäischen Billigflieger wie Ryanair, Easyjet, Wizz, Vueling oder Transavia mit Macht in den deutschen Markt. Erstes Opfer des gnadenlosen Verdrängungswettbewerbs droht Air Berlin zu werden. Die deutsche Nummer zwei wird schon seit Jahren nur noch mit Millionenspritzen ihres Großaktionärs Etihad aus Abu Dhabi am Leben gehalten.
Was hat das alles mit den Billigfliegern zu tun?
Die Konkurrenz durch schnell wachsende Billigflieger hat in der europäischen Luftfahrt fast alles geändert. British Airways hat sich komplett auf die Langstrecke mit dem Heimat-drehkreuz London zurückgezogen. Andere ehemalige Staatsflieger wie Lufthansa oder Air France können mit ihren Kostenstrukturen nicht mithalten und gründen aus diesem Grund eigene Billigflotten, um nicht noch mehr Marktanteile zu verlieren. Hier wollen sie möglichst niedrige Gehaltsstrukturen durchsetzen, was aber häufig nur zum Teil klappt. So werden die Piloten der Billig-tochter Germanwings nahezu genauso gut bezahlt wie bei der Mutter Lufthansa. Im Lufthansa-konzern sind die Piloten der Austrian am billigsten – und damit die Zielvorgabe für die anderen. Rolf Schraa und Christian Ebner, dpa