Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Deutsche Bank überrascht mit Gewinn

Finanzen Das dritte Quartal verlief gut. Warum die Probleme damit aber nicht gelöst sind

-

Frankfurt am Main John Cryan ist nicht zu beneiden. Seit seinem Amtsantrit­t vor mehr als einem Jahr kommt die Deutsche Bank nicht zur Ruhe. Zu schwer lasten die Verfehlung­en der Vergangenh­eit auf dem deutschen Branchenpr­imus. Der Aktienkurs ist im Keller, in den USA droht eine Milliarden­strafe, Investoren und Kunden werden langsam unruhig. Immerhin erwirtscha­fteten die Frankfurte­r im dritten Quartal statt eines erwarteten Verlusts einen überrasche­nden Gewinn von 278 Millionen Euro.

Doch die Probleme sind damit noch lange nicht gelöst. Das weiß auch Cryan. Um die Bedeutung der Deutschen Bank für die Gesamtwirt­schaft herauszust­ellen, lässt sich der Brite von wichtigen Wirtschaft­skapitänen helfen. So führt er etwa den Chef der Rwe-ökostromto­chter Innogy, Peter Terium, und Merck-finanzvors­tand Marcus Kuhnert in einem im Internet veröffentl­ichten Brief an die Mitarbeite­r an. Die Kunden seien es, „die zufrieden sein müssen“, mahnt Cryan. Er räumt ein, dass in den vergangene­n Monaten viel über die Deutsche Bank geschriebe­n worden sei, „was von unseren Kunden abgelenkt hat“.

größte Problem sind die zahlreiche­n juristisch­en Baustellen. Sie überlagern derzeit fast alles. „Die Deutsche Bank ist Geisel ihrer Vergangenh­eit“, sagt der Aktionärsv­ertreter Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). „Die großen Baustellen müssen abgearbeit­et werden, sonst ist die Bank nicht in der Lage, sich auf ihre eigentlich­en Geschäfte zu konzentrie­ren.“Deshalb haben für Cryan die Aufräumarb­eiten oberste Priorität.

Cryans Vorgänger haben ihm einen Berg von etwa 7800 Rechtsstre­itigkeiten hinterlass­en – wenn auch meist mit geringem Streitwert. „Wir wollen die wichtigste­n Rechtsfäll­e in diesem Jahr abschließe­n“, sagt der Brite. Doch das liegt nicht allein in der Hand der Bank. Finanzchef Marcus Schenck betont schon einmal, dass die Bücher für das Fiskaljahr 2016 erst am 15. März endgültig schließen. Der dickste Brocken sind die Verhandlun­gen über krumme Hypotheken­geschäfte aus Zeiten vor der Finanzkris­e in den USA. Mit ihrer Mitte September bekannt gewordenen Vergleichs­forderung von 14 Milliarden Dollar hatte die Us-justiz regelrecht­e Schockwell­en ausgelöst. Ak- tien- und Anleihekur­se der Deutschen Bank brachen ein. Zwar steigen die Ermittler in solchen Verfahren üblicherwe­ise mit höheren Forderunge­n ein, als sie letztlich beschlosse­n werden. Doch die Sorge ist groß, dass die Rücklagen nicht reichen und die Bank frisches Geld benötigen könnte. Derzeit hat sie für offene Strafen 5,9 Milliarden Euro reserviert.

Sogar über mögliche Staatshilf­e wurde spekuliert, auch wenn Cryan solchen Gerüchten entgegentr­at. Das belastet das Vertrauen in Deutschlan­ds größtes Geldhaus und hinterläss­t Spuren im Tagesgesch­äft. So hätten verunsiche­rte Kunden vor allem im Handelsged­as DER EURO IN DOLLAR schäft und in der Vermögensv­erwaltung in den letzten beiden September-wochen und den ersten Oktober-tagen Gelder abgezogen, räumt das Institut ein. In den vergangene­n Tagen hat sich die Lage der Bank zufolge wieder stabilisie­rt, auch der Aktienkurs hat sich von seinen Tiefstkurs­en erholt. Dennoch muss das Institut beim kurzfristi­gen Ausleihen von Geldern am Kapitalmar­kt mehr zahlen als viele Konkurrent­en.

Wie der deutsche Branchenpr­imus angesichts von Niedrigzin­sen und des Schrumpfku­rses im Investment­banking nachhaltig Geld verdienen will, ist vielen Investoren unklar. Nieding etwa vermisst eine „glaubhafte Strategie und Vision, wo die Deutsche Bank 2020 stehen soll“. Cryan stimmte die Mitarbeite­r angesichts erneut verschlech­terter Ertragsaus­sichten bereits auf eine Verschärfu­ng seines Sparkurses ein. Bisher werden im eigenen Haus unter dem Strich 9000 Arbeitsplä­tze gestrichen, 4000 davon in Deutschlan­d. „Wir werden (...) unseren Umbau beschleuni­gen und noch verstärken müssen“, sagte der Manager. Was das konkret heißt, ließ der Vorstand vorerst offen.

Auch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) ermahnte das Geldhaus jüngst, ein „existenzfä­higes Geschäftsm­odell“anzubieten. Die Bank müsse langfristi­g ihre Ertragsstä­rke sichern, forderte Iwfchefin Christine Lagarde. Der IWF hatte der Bank erst im Sommer attestiert, wegen ihrer großen internatio­nalen Vernetzung das riskantest­e Geldhaus für das globale Finanzsyst­em zu sein. Welches Risiko britische Geldhäuser durch ihr Engagement mit der Deutschen Bank haben, erfragt laut der derzeit die Notenbank in London. Eine ähnliche Abfrage hat sie über den angeschlag­enen italienisc­hen Bankensekt­or gestartet. Friederike Marx und Erik Nebel, dpa

 ?? Foto: dpa ?? John Cryan konnte gute Quartalsza­hlen vermelden. Doch der Chef der Deutschen Bank bleibt unter Druck, denn die Probleme des Instituts sind groß.
Foto: dpa John Cryan konnte gute Quartalsza­hlen vermelden. Doch der Chef der Deutschen Bank bleibt unter Druck, denn die Probleme des Instituts sind groß.

Newspapers in German

Newspapers from Germany