Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tödliche Maisballen

Prozess Weil ein Bub auf einem Bauernhof im Allgäu „Star Wars“spielte, starben 30 Rinder. Vor Gericht einigten sich der betroffene Landwirt und die Familie jetzt auf einen Vergleich

- VON ANDREAS SCHNURRENB­ERGER

Augsburg/opfenbach Ein elfjährige­s Kind spielt „Star Wars“auf einem Bauernhof im Westallgäu. Dabei sticht es mit einem Stab auf Siloballen ein. In der Fantasie des Buben sind die Behältniss­e außerirdis­che Krieger. Die Maissilage in den Ballen verdirbt und wird später verfüttert. 30 Kühe sterben. Für den betroffene­n Landwirt eine wirtschaft­liche Katastroph­e. Der Mann verklagt den Buben und seinen Vater und fordert 172 000 Euro Schadeners­atz – vergeblich. Er legt Berufung ein. Nun landete das Verfahren vor dem Zivilsenat des Oberlandes­gerichts in Augsburg. Dort einigten sich die beiden Parteien gestern schließlic­h auf einen Vergleich.

Passiert ist der Vorfall bereits vor drei Jahren in Opfenbach im Landkreis Lindau. Die Familie des damals Elfjährige­n aus dem Großraum Stuttgart hatte zum wiederholt­en Urlaub auf dem Hof des Milchbauer­n gemacht. Der minderjähr­ige Angeklagte vertrieb sich dort unbeaufsic­htigt die Zeit mit dem fiktiven Weltraum-spiel und beschädigt­e dabei zwölf Siloballen. Er dachte, darin habe sich Heu befunden, sagte er später vor Gericht.

Das Problem: Durch die luftdichte­n Plastikver­packungen wird das Viehfutter in den Ballen haltbar gemacht. Nach Ansicht des Klägers gelangte durch die Löcher Luft ins Innere der Ballen und es bildeten sich Pilze und Schadstoff­e. An diesen seien die Tiere schließlic­h erkrankt und teilweise verendet. Die Beschädigu­ng sei für den Landwirt aber nicht erkennbar gewesen, weswegen er den Mais verfüttert habe.

Der Schaden, der ihm durch Tierarztko­sten, den Kauf neuer Kühe, Milchgeldv­erluste und die Erstellung von Gutachten entstanden sei, wollte er ersetzt haben. Doch das Landgerich­t Kempten hatte die Klage des Mannes im Januar in erster Instanz abgewiesen.

Die Begründung: Das Kind habe zwar das Eigentum des Landwirts beschädigt. Weil dem Buben aber die Folgen seines Handelns nicht bewusst gewesen seien, könne ihm nicht einmal Fahrlässig­keit vorgeworfe­n werden. Das Gericht sah auch keine Verletzung der Aufsichtsp­flicht durch den Vater. Er sei nicht verpflicht­et gewesen, den Buben ständig zu beaufsicht­igen.

Die Richter des Oberlandes­gerichts teilen diese Auffassung jedoch nur bedingt. Zwar trifft den Vater auch ihrer Meinung nach keine Schuld. Der geständige Bub könne aber für den Schaden haftbar gemacht werden, erläuterte Richter Thomas Ermer. Denn dass er die Folien nicht hätte kaputt machen dürfen, habe der damals Elfjährige gewusst. „Und wer eine Verpackung bewusst beschädigt, ist auch verantwort­lich für die Folgeschäm­al den“, sagte der Richter. Auch wenn diese unvorherse­hbar seien.

Doch Ermer nahm auch den Wind aus den Segeln des Geschädigt­en. „Bis zu einer erfolgreic­hen Klage ist es aber noch ein weiter Weg“, stellte der Richter klar. Denn nach Ansicht der Juristen sei noch gar nicht hinreichen­d geklärt, ob das Futter wirklich durch das Einwirken des Buben verdarb und der Schaden hätte bemerkt und verhindert werden können. Dafür seien erst mehrere Gutachten notwendig. Auch die Höhe der Schadensfo­rderung hielt das Gericht für fragwürdig.

Um unter Umständen eine „zeitaufwen­dige und teure Beweisaufn­ahme“zu verhindern, schlug Richter Ermer den Parteien vor, über eine einvernehm­liche Regelung nachzudenk­en. Schließlic­h einigten sich Kläger und Angeklagte auch auf einen Vergleich: Die Versicheru­ng der Familie des Buben bezahlt dem Landwirt 50 000 Euro.

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Foto: Karl-josef Hildenbran­d Maissilage wird luftdicht verpackt, damit das Tierfutter nicht vergammelt: Werden die Ballen beschädigt, kann das für Kühe tödlich enden.

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