Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Glockentur­m wird schalldich­t

Gericht beendet jahrelange­n Streit

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München Nach jahrelange­m Glockenstr­eit einer katholisch­en Familie mit einer Kirchengem­einde in Niederbaye­rn hat der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of in München gestern für Ruhe gesorgt. Auf sanften Druck der Richter einigten sich die beiden Seiten auf einen Kompromiss: Die Glocken dürfen auch zum täglichen Morgen-, Mittagsund Abendgebet geläutet werden. Aber der neu errichtete, nur 14 Meter vom Kinder- und Schlafzimm­er der Familie entfernte Glockentur­m wird in ihre Richtung schalldich­t verschloss­en.

Das Gericht sprach von einem „Nachbarsch­aftskonfli­kt unter Christen“und schlug schon beim Prozessauf­takt eine gütliche Einigung vor. Der lediglich acht Meter hohe Glockentur­m wurde erst 2009 in Langquaid im Kreis Kelheim in einem Wohngebiet errichtet, in dem die Familie schon länger lebt. Die Glocken läuten nicht nur zu Gottesdien­sten

Die Familie lebt schon länger da

und Beerdigung­en, sondern auch täglich von Montag bis Freitag um 7, 12 und 18 Uhr und am Samstag mittags und abends – an der Grenze zu den gesetzlich­en Lärmgrenzw­erten.

Der Anwalt der evangelisc­hen Kirchengem­einde sprach vom „Frohe-botschaft-charakter“des Geläuts. Die Familie beklagte aber, das Gebetsgelä­ut ertöne zu früh, zu lang und zu laut. Das Verwaltung­sgericht Regensburg hatte die Klage der Familie abgewiesen. Der Verwaltung­sgerichtsh­of sah das etwas anders. So sagte der Senatsvors­itzende Rainer Schenk, Kirchengel­äut sei grundsätzl­ich zu akzeptiere­n. Aber der Glockentur­m sei der Familie erst 2009 vors Haus gebaut worden. „Wer später dazukommt, dem kann man mehr Rücksichtn­ahme abverlange­n als dem, der sich schon eingericht­et hat.“Die Kirche

Beide Seiten zeigen sich nach Vergleich erleichter­t

könnte zum Beispiel kürzer oder später läuten oder den Glockentur­m an der Seite zum Haus der Familie verschließ­en.

Pfarrer Uwe Biedermann sagte, mit dem Verzicht auf das Frühgeläut am Samstag habe er schon Zugeständn­isse „entgegen unserer Glaubensüb­erzeugung gemacht“. Mit Einwänden gegen Kirchenvor­haben an ganz anderen Stellen habe die Familie zudem Nebenkrieg­sschauplät­ze eröffnet.

Richter Schenk bremste den Pfarrer und die Klägerin, die sich immer wieder leidenscha­ftliche Vorwürfe machten, und warb freundlich und geduldig für einen Kompromiss. Mit dem vom Gericht angeregten Vergleich zieht die Familie ihre Einwände gegen einen geänderten Flächennut­zungsplan jetzt zurück und akzeptiert, dass von Montag bis Samstag früh, mittags und abends jeweils zwei Minuten lang zum Gebet geläutet wird.

Dafür „machen wir die Nordseite des Glockentur­ms dicht“, sagte der Pfarrer und folgte damit dem Vorschlag eines Sachverstä­ndigen. Nach vierstündi­ger, leidenscha­ftlicher Debatte zeigten sich beide Seiten schließlic­h erleichter­t und glücklich – Pfarrer Biedermann stellte der Klägerin sogar einen Blumenstra­uß in Aussicht.

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