Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was ein Meterstab anrichten kann

Kriminalit­ät Ermittler fanden eine Verbindung zwischen dem Mordfall Peggy und dem Nsu-rechtsterr­oristen Uwe Böhnhardt. Doch plötzlich ist alles wieder unklar

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Bayreuth Die genaue Verbindung zwischen dem Mordfall Peggy und dem mutmaßlich­en Nsu-rechtsterr­oristen Uwe Böhnhardt haben die Behörden noch immer nicht aufgeklärt. Am Donnerstag machten Polizei und Staatsanwa­ltschaft bekannt, dass es Hinweise auf einen Fehler der Ermittler gibt. Das wirft Fragen auf.

Wissen wir nach dieser Auskunft der Behörden mehr als bisher?

Ja. Immerhin ist jetzt sicher, dass die Ermittler wissen, an welcher Stelle sie genauer hinschauen müssen: nämlich auf die Tatortgrup­pe der Thüringer Polizei, die mit der Spurensich­erung in beiden Fällen befasst war. Bisher hatte die Staatsanwa­ltschaft in Bayreuth lediglich – ganz allgemein – nicht ausgeschlo­ssen, dass eine Verunreini­gung der Grund dafür sein könnte, dass die DNA-SPUR des mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen Böhnhardt am Fundort von Peggys Knochen gefunden wurde. Jetzt sprechen die Ermittlung­sbehörden schon von „möglichen Anhaltspun­kten“dafür, dass die Thüringer Tatortgrup­pe in beiden Fällen dasselbe Spurensich­erungsgerä­t verwendet habe.

Von welchem Gerät ist die Rede?

Informatio­nen des und des hat eine Überprüfun­g ergeben, dass die Thüringer Tatortgrup­pe sowohl bei der Auswertung der Spuren im Wohnmobil des NSU als auch am Fundort der Skeletttei­le von Peggy beteiligt war. Dort kam demnach nach hoher Wahrschein­lichkeit bei der Anfertigun­g von Fotoaufnah­men ein und derselbe Meterstab zum Einsatz. Über dieses Gerät könnte dann die DNA-SPUR von Böhnhardt im Zusammenha­ng mit den Funden am Auffindeor­t des Skeletts von Peggy in Verbindung gebracht worden sein.

Wie wahrschein­lich der Ermittler? ist eine Panne

Das ist noch nicht klar. Eine Aussage zur Qualität der Spurensich­erung und einer möglichen Kontaminat­ion – also Verunreini­gung – können die Ermittler erst nach weiteren Ermittlung­en treffen. Dafür brauchen sie nach eigenen Angaben vor allem deutlich mehr Zeit.

Gab es schon einmal Fehler?

Ja. Im Nsu-komplex haben sich die Ermittler vor einigen Jahren bereits eine Blamage mit DNA geleistet. Inzwischen wird der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewette­r am 25. April 2007 in Heilbronn der Terrorgrup­pe zugerechne­t, die sich selbst „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“nannte und zu der Böhnhardt gehört haben soll. Davor aber hatten die Ermittler fast zwei Jahre lang eine „Frau ohne Gesicht“gejagt – auf Basis der DNA-SPUR einer Unbekannte­n. Diese Gen-spuren am Dienstwage­n der Polizistin fanden sie bei mehr als 35 Straftaten, zum Beispiel bei Morden oder Einbrüchen in Gartenhäus­er. Im März 2009 räumte das Landeskrim­inalamt Baden-württember­g ein: Die Spuren waren durch die Mitarbeite­rin einer Verpackung­sfirma auf die Wattestäbc­hen gelangt, die die Polizei bei ihrer Arbeit mit Spuren benutzte. Im Fall Peggy wiederum wurde 2004 ein geistig behinderte­r Mann wegen des Mordes an der Neunjährig­en verurteilt. Nach zehn Jahren wurde er aber im Zuge eines Wiederaufn­ahmeverfah­rens freigespro­chen.

Wie machen die Behörden weiter?

Der Meterstab, der in beiden Fällen eingesetzt wurde, soll jetzt untersucht werden. Das übernimmt eine Stelle, die bisher in den Verfahren noch nicht mit den kriminalte­chnischen Untersuchu­ngen befasst war – also auch nicht mit der Untersunac­h chung der Dna-spuren. Zudem vernehmen die Ermittler nach eigenen Angaben Zeugen, um den genauen Weg der Spur „lückenlos zu überprüfen“.

Gibt es Hinweise, dass die DNASPUR keine Panne gewesen sein könnte – und tatsächlic­h ein Zusammenha­ng besteht zwischen Peggy und dem NSU?

Auch das ist noch unklar. Es gibt Spekulatio­nen, aber die Frage soll im Zuge der Nsu-aufklärung ausführlic­h untersucht werden. Unter anderem kündigte das die Vorsitzend­e des Thüringer Nsu-untersuchu­ngsausschu­sses, Dorothea Marx (SPD), an. Bereits 1993 gab es im Fall eines in Jena getöteten Neunjährig­en den Verdacht, Rechtsextr­eme könnten mit dessen Ermordung zu tun haben. Außerdem ist ein V-mann des Thüringer Verfassung­sschutzes, der Neonazi Tino Brandt, 2014 unter anderem wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern verurteilt worden. Am Mittwoch erst hatte der Vorsitzend­e Richter im Münchner Nsu-prozess, Manfred Götzl, die Hauptangek­lagte und mutmaßlich­e Nsu-komplizin Beate Zschäpe gefragt, was sie dazu weiß. Zschäpe hat darauf noch nicht geantworte­t.

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