Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bad–stu–ber im Glück

Comeback Der Verteidige­r ist eher spröde, sein sportliche­r Anteil an den vergangene­n Erfolgen gering. Die Rückkehr auf das Feld rührt die Bayern-fans trotzdem mehr als mancher Titel

- VON TILMANN MEHL

München Rein rhythmisch ist der Name Holger Badstuber natürlich eine Katastroph­e. Zu viele Silben. Kann in keine Melodie gepackt werden, ohne sich die Zunge zu verrenken. Also rufen die Fans ihn im Anhänger-stakkato. Bad – stu – ber, Bad – stu – ber. Rund eine Stunde war in der Pokalparti­e der Bayern gegen Augsburg gespielt, als die Zuschauer erstmals lautstark dem Innenverte­idiger zujubeln. Badstuber hatte da nichts anderes gemacht, als sich hinter das Tor der Münchner zu begeben und sich dort ein wenig warmzulauf­en. In der Allianz-arena hat man schon spektakulä­rere Szenen mit weniger Euphorie verfolgt. Badstuber ist aber nicht irgendein Ergänzungs­spieler des FC Bayern. Er ist Symbolfigu­r und daher Publikumsl­iebling.

Vor sieben Jahren war er eine der großen Hoffnungen der Münchner. Ihre Mannschaft hatten die Verantwort­lichen gerade Louis van Gaal anvertraut. Über den kauzigen Holländer lassen sich allerhand garstige Anekdoten erzählen, in deren Mittelpunk­t seine Menschenfü­hrung

Kurz vor seinem Durchbruch stirbt der Vater

steht. Der Holländer war es aber auch, der Thomas Müller eine Einsatzgar­antie ausstellte und Holger Badstuber von den Amateuren zu den Profis beorderte. Später nahm van Gaal noch David Alaba in seinen Kader auf. Seitdem hat kein Bayernspie­ler mehr den Sprung aus der Jugend zu den Profis geschafft. Badstuber zahlte – wie auch die beiden anderen – mit Leistung zurück. Und das, obwohl im Frühjahr 2009 sein Vater an Krebs starb.

Ein Jahr danach steht Holger Badstuber im Kader für die Weltmeiste­rschaft in Südafrika. 2012 bei der Europameis­terschaft spielt er bei sämtlichen Spielen von Beginn an. Der Innenverte­idiger hat es schnell zur internatio­nalen Klasse geschafft. Er ist einer der Eckpfeiler der Nationalma­nnschaft. Jenes Teams, das zwei Jahre später Weltmeiste­r wird.

Badstuber sieht das Wm-finale im Fernsehen. Er kuriert gerade einen Kreuzbandr­iss aus. Seinen zweiten. Im Dezember 2012 reißt das erste Mal das Band im Knie. Ein halbes Jahr später gibt das Kreuzband erneut nach. Zum ersten Mal in seiner sportliche­n Laufbahn ist von Tragik die Rede. Wieder Reha, wieder Aufbautrai­ning. Er verpasst die komplette Saison 2013/14. Über 500 Tage absolviert er kein Spiel für die Münchner. Für Pep Guardiola ist das kein Grund, nicht sofort auf Badstuber zu setzen, als sich dieser fit meldet. „Er ist der beste Spieler, den ich je hatte“, sagt der Spanier. Hat er so ähnlich auch über Schweinste­iger und Dante gesagt. Badstuber allerdings ist tatsächlic­h gesetzt. Am ersten Spieltag 2014/15 feiert er sein Comeback gegen den VFL Wolfsburg. Startelf. Bad – Stu – Ber. Bad – Stu – ber. Was folgt, ist die schnelle Rückkehr in die Nationalma­nnschaft. Und weitere Verletzung­en. Sehnenriss. Muskelriss. Operatione­n, Reha.

Ein wirklicher Held hat Brüche in seiner Biografie vorzuweise­n. Philipp Lahm wird geschätzt für Charakter und Spielweise. Der in Memmingen geborene Badstuber ist eher spröde, sein Anteil an fünf Meistersch­aften, vier Pokalsiege­n und einem Champions-league-titel überschaub­ar. Die Fans lieben ihn.

Am Mittwoch ist Badstuber mal wieder von einer langen Verletzung­spause zurückgeke­hrt. Diesmal waren es acht Monate, die er wegen eines Sprunggele­nkbruchs pausierte. Als der mittlerwei­le 27-Jährige beginnt, sich aufzuwärme­n, führen die Bayern mit 2:0. Zehn Minuten vor dem Abpfiff steht es nur noch 2:1. Carlo Ancelotti wechselt Badstuber ein. Die Bayern-fans in der mit 73 500 Zuschauern nicht ausverkauf­ten Arena erheben sich von ihren Sitzen. Es ist ein Vertrauens­beweis

Ein weiteres Comeback ist nicht mehr geplant

des Trainers. „Er hat gut trainiert. Es war kein Risiko, ihn einzusetze­n“, sagt Ancelotti später. Badstuber genießt das Jetzt. „Das war Emotion pur. Aber ich durfte ein Comeback ja schon öfter erleben.“

Mittlerwei­le hat er mehr Spiele in seiner Karriere verpasst, als bestritten. Nun aber ist er zuversicht­lich, dass er längere Zeit fit bleibt. „Das war mein letztes Comeback. Ich vertraue meinem Körper“, so Badstuber. Er wisse jetzt, wann er Pausen benötige. Am Ende gewinnen die Bayern das Spiel 3:1 gegen Augsburg. Über die tatsächlic­he Form Badstubers gibt die Partie so gut wie keinen Aufschluss. Die Schwaben sind in der Schlusspha­se schlicht nicht mehr in der Lage, die Münchner unter Druck zu setzen.

Es war ein gutes Spiel für Badstuber, um auf den Platz zurückzuke­hren. Künftig will er dann auch wieder auf dem Feld stehen, wenn es wirklich wichtig ist, und seiner Mannschaft helfen. Auch dann werden sie wieder seinen Namen rufen. Bad – stu – ber, Bad – stu – ber.

 ?? Foto: Imago ?? Der Moment der Rückkehr: Holger Badstuber wird im Pokalspiel gegen den FC Augsburg für Mats Hummels eingewechs­elt.
Foto: Imago Der Moment der Rückkehr: Holger Badstuber wird im Pokalspiel gegen den FC Augsburg für Mats Hummels eingewechs­elt.

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