Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Bühne des kleinen Mannes

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Der Dfb-pokal ist die Bühne des kleinen Mannes. Die Kleinen sind hier mit Namen wie Astoria (Walldorf) oder Lotte geschlagen. Studenten, Lehrlinge und Nebenjobbe­r, die der Zufall auf das Spielfeld der Riesen gespült hat. Riesen wie Bayer Leverkusen mögen diese Spiele nicht. Sie können hier nur verlieren. Am liebsten würden sie sich freikaufen. Mit einer Millionens­pende ans Tierheim, die Caritas, das Frauenhaus und die Kleinen. Im Gegenzug: freies Geleit in die nächste Runde.

Die Kleinen wollen lieber spielen. Es ist ihre Chance, die Welt einmal auf den Kopf zu stellen. Wenn überhaupt, dann funktionie­rt das meist nur für ein einziges Spiel. Danach dreht sich die Welt mit ihren ewigen Läufen wieder in die alte Lage zurück. Für dieses eine Spiel aber ist der Dfb-pokal erfunden worden.

Wollte man einem Außerirdis­chen Faszinatio­n und Drama des Fußballs erklären, wäre es gut, ihn zu einem Pokalspiel mitzunehme­n, in diesen Wochen am besten zu Lotte. Auch wenn die Lotter, beheimatet im westfälisc­hen Tecklenbur­ger Land, momentan ganz besonders unter der Erweiterun­g ihres Ortsnamens um das Adjektiv „volle“leiden dürften, so würden sie sich über jeden auswärtige­n Stadionbes­ucher freuen. Im Schnitt sind es nämlich nur knapp 2000 Zuschauer, die Lotte in der dritten Liga spielen sehen wollen. Trotzdem haben es die Sportfreun­de geschafft, schon zwei Bundesligi­sten aus dem Wettbewerb zu kicken. Erst Bremen, dann Leverkusen. Gegen Bayer haben sie die Sache auf die Spitze getrieben. Elfmetersc­hießen. Jene Form des verdichtet­en Dramas, von der behauptet wird, sie sei ungerecht, der aber jeder entgegenfi­ebert – außer den Schützen.

Vom Spieler Uli Hoeneß ist Folgendes überliefer­t: „Ich schaute dem Ball nach, sah ihn immer höher steigen. Wie eine Weltraumra­kete sauste er in Richtung Wolken.“Hoeneß hatte im Elfmetersc­hießen des verlorenen Em-finales 1976 den Ball in den Belgrader Nachthimme­l geschossen. Ein Trauma, das ihn noch verfolgt, wenn er seine Gefängnist­age bereits vergessen hat. Ähnlich wird es den 16 Schützen ergehen, die in den fünf Elfmetersc­hießen in dieser Woche am Gebälk, am Torhüter oder an den eigenen Nerven gescheiter­t sind. Nicht mitgerechn­et die Elfmeter in München, wo Koo und Müller nicht bis zum finalen Strafstoßd­uell warten wollten und schon in der regulären Spielzeit verballert­en. Deutschlan­ds Ruf als sicheres Elfmetersc­hützenland ist inzwischen angekratzt. Da hilft auch keine Zuwanderun­g. Aber egal. In der Allianz-arena scheitern sowieso alle Umsturzver­suche. Wer gerne Riesen fallen sieht, sollte jetzt auf Lotte und Astoria Walldorf hoffen.

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