Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Am Boden der Tatsachen

Experiment Was passiert, wenn sich Basketball­er der BG Leitershof­en in Rollstühle setzen? Eine Begegnung beim SV Reha

- VON ALEXANDER SING

Egal, wie Julian Breuer sich abmüht, er kommt einfach nicht vom Boden auf. Instinktiv will er seine Beine benutzen, doch die sind mit einem Gurt fest an den Rollstuhl gebunden. Mit etwas Hilfe kämpft er sich schließlic­h doch wieder hoch, die Räder des Rollstuhls berühren wieder den Boden der Anton-bezlerhall­e in Göggingen. Breuer trainiert dort zusammen mit den Rollstuhlb­asketballe­rn des Viertligis­ten SV Reha. Eigentlich spielt er „Fußgänger-basketball“, wie es die Rollstuhlb­asketballe­r nennen. Doch an diesem Tag lernen der 20-Jährige und seine Teamkamera­den Raphael Braun, Emanuel Richter und Josh Hart von der BG Leitershof­en, was es heißt, im Sitzen zu spielen.

Kaum sitzen die vier in den Rollstühle­n, schickt sie Coach Thomas Paa schon zum Körbewerfe­n. Seit dieser Saison trainiert der 46-Jährige die „Auxburg Basketz“, wie sich die Basketball­er des SV Reha nennen. Er selbst spielte lange in der Bundesliga. Zufrieden beobachtet Paa, wie die Gastspiele­r Ball um Ball in den Korb legen. „Werfen können sie, das ist klar. Aber im Spiel braucht man die Hände auch zum Antreiben, Lenken, Dribbeln.“Und tatsächlic­h: Wenn es schnell geht, haben die Leitershof­er oft das Nachsehen. Nach einem Rebound geht es kaum weniger zügig zum gegnerisch­en Korb als im „Fußgänger-basketball“. „Auf geht’s, gib Gas“, ruft „Basketz“-spielerin Simona Ladzik Julian Breuer beim Angriff zu. Sein Wurfversuc­h aus der Distanz geht aber daneben. „Es ist einfach eine andere Perspektiv­e“, sagt Breuer. Raphael Braun pflichtet ihm bei: „Außerdem muss die ganze Kraft aus dem Oberkörper kommen. Deshalb tun mir jetzt auch ganz schön die Schultern weh.“

Einen Vorteil haben die Männer aus Leitershof­en aber trotzdem: Sie überragen die meisten Spieler der „Basketz“um mindestens einen Kopf. Besonders der 1,96 große Josh Hart ist selbst im Sitzen noch größer als manch anderer im Stehen. „Klar spielt das auch bei uns eine Rolle“, sagt Trainer Thomas Paa. „Der Größte kann einfach den Ball über seinen Kopf halten und es kommt keiner ran.“

Nur Johannes Lüthy kann in Sachen Körpergröß­e mit den Regionalli­ga-spielern mithalten. Der Student ist einer von mehreren nichtbehin­derten Spielern bei den „Basketz“. „Bei einem Freiwillig­en Sozialen Jahr in Italien habe ich angefangen, mit Behinderte­n Sport zu machen. Am Anfang war es befremdlic­h, aber es macht richtig viel Spaß.“Den Rollstuhl bekommt Lüthy vom Verein gestellt. Die speziell für den Sport angefertig­ten Stühle kosten zwischen 5000 und 6000 Euro. Sie müssen einiges aushalten, denn Rammen ist durchaus erlaubt.

Die „Auxburg Basketz“tragen an diesem Wochenende ihre ersten Heimspiele in der Oberliga aus. Zu Gast in der Bezler-halle sind die zweiten Mannschaft­en des RSV Salzburg (10 Uhr) und des RSKV Tübingen (14 Uhr). Zwei Spiele an einem Tag auszutrage­n sei einfach kostengüns­tiger, erklärt Thomas Paa. „Und Teams aus dem Ausland sind schon länger dabei. Das liegt daran, dass es dort nicht genug Mannschaft­en für eine eigene Liga gibt. Deshalb spielen auch Damen und Herren zusammen.“

Das wäre im „Fußgänger-basketball“undenkbar. Die vier Leitershof­er wollen gerne mit dem gesamten Team wiederkomm­en. „Ich habe Respekt vor diesem Sport bekommen. Und es macht großen Spaß“, sagt Raphael Braun hinterher. Dann geht es für die Schnuppers­pieler zum Training ihrer eigenen Mannschaft. Am Wochenende gehen sie gegen Jena auf Körbejagd.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Auch das Aufstehen will gelernt sein: Nach einem Sturz im Gewusel unter dem Korb kommt Julian Breuer nicht mehr vom Boden hoch. Die Kollegen vom SV Reha müssen dem Basketball­er der BG Leitershof­en helfen.
Foto: Wolfgang Diekamp Auch das Aufstehen will gelernt sein: Nach einem Sturz im Gewusel unter dem Korb kommt Julian Breuer nicht mehr vom Boden hoch. Die Kollegen vom SV Reha müssen dem Basketball­er der BG Leitershof­en helfen.

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