Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Tosca hinter einer Leinwand
Theater Die berühmte Puccini-oper feiert heute Premiere. Regisseur Nigel Lowery rückt dabei die Kunst, aber auch das Augsburger Theater selbst ins Zentrum. Was den Zuschauer erwartet
Ein Leben für die Kunst – mehr will die Sängerin Tosca gar nicht führen. Das singt sie in der zentralen Arie der gleichnamigen Oper, dem „Vissi d’arte“. Die nach der Protagonistin benannte Oper von Giacomo Puccini zählt zu den bekanntesten Werken des gesamten Genres. Nun kommt sie ans Theater Augsburg – besser gesagt: in die Ausweichspielstätte Schwabenhalle. Und als wäre das Besingen der Kunst nicht schon Symbol genug bei all den Querelen um die Theatersanierung, will der britische Regisseur Nigel Lowery noch einen draufsetzen.
Die Kunst wird in dieser Inszenierung das zentrale Element sein, so viel ließ sich in der Theaterwerkstatt erahnen, dem gewohnten Preview vor der eigentlichen Premiere am heutigen Freitag. Vor der Bühne ist eine riesige, milchig-transparente Leinwand gespannt, als Wände dienen Folien, die irritieren. Es ist nicht klar zu erkennen, dass es sich dabei um Mauern und Wände han- deln soll. Sie könnten auch etwas ganz anderes darstellen. Es sei dieser Konflikt zwischen der Realität und dem Traum, zwischen brutaler Tagespolitik und der Freiheit der Kunst, den Nigel Lowery in seiner Interpretation der Tosca zeigen möchte. Das ließ er über die Intendantin Juliane Votteler bei der Theaterwerkstatt mitteilen. Lowery, der für seine unkonventionellen Inszenierungen bekannt ist, sieht diesen Konflikt als zentral für die gesamte Handlung an und verab- schiedet sich dafür von einem klassisch-historischen Ansatz.
Argumente für diese Sicht gibt es genug. Nicht nur die Sängerin Tosca ist Künstlerin, auch ihr Geliebter Mario Cavaradossi ist von der Muse geküsst. Doch beide müssen ihre fantastische Welt verlassen und werden von der Realität eingeholt. Cavaradossi hilft einem entflohenen politischen Gefangenen, der plötzlich vor ihm steht, und wird deshalb gefangen genommen und gefoltert. Tosca wiederum muss als Sängerin
Die Inszenierung
Premiere von Giacomo Puccinis „Tosca“am Freitag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr in der Schwabenhalle (Messe Augsburg)
Musikalische Leitung Héja Inszenierung Nigel Lowery Bühne/kostüme Nigel Lowery Video Stefanie Sixt Chöre Katsiaryna Ihnatsyeva-cadek Domonkos beim Polizeipräfekten Scarpia auftreten, während wenige Schritte entfernt ihr Geliebter Höllenqualen durchleidet. Schließlich soll sie Scarpia auch sexuell zu Diensten stehen, damit der das Leben des Malers Cavaradossi verschont. Es ist jener Moment des „Vissi d’arte“, bei dem sie innehält, auf ihr Leben zurückblickt und ihrem freien Künstlerleben nachtrauert – kurz bevor das Stück seiner unvermeidlichen Tragödie entgegengeht.
Jenseits dieser Geschichte ist da aber noch die andere, speziell Augsburger Geschichte und seines Theaters. Denn das Gebäude hat Lowery – ebenfalls fürs Bühnenbild zuständig – mit eingearbeitet. Es dürfte die wohl einzige „Tosca“sein, bei der die Engelsburg dem Augsburger Stadttheater weicht. Bereits in den Proben wurde deutlich, dass die Schwabenhalle trotz guter Akustik kein gleichwertiger Ersatz sein kann. Mangels Graben sitzt das Orchester direkt vor den Sängern, die stimmlich vor einer großen Herausforderung stehen, wollen sie gerade in den dramatischen Passagen von Puccinis Musik die Oberhand behalten.
Auch zahlreiche Lichteffekte, gab Intendantin Juliane Votteler zu, seien „noch nicht perfekt“– die Planungen zum Lichtkonzept seien schließlich noch für das Theater ausgearbeitet worden. „Wir haben hier nur ein Viertel der Scheinwerfer zur Verfügung wie im Theater“, erklärte sie die teils irritierenden Spieglungen. Es bleibe noch viel Arbeit bis zur Premiere.