Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tosca hinter einer Leinwand

Theater Die berühmte Puccini-oper feiert heute Premiere. Regisseur Nigel Lowery rückt dabei die Kunst, aber auch das Augsburger Theater selbst ins Zentrum. Was den Zuschauer erwartet

- VON SEBASTIAN KAPP

Ein Leben für die Kunst – mehr will die Sängerin Tosca gar nicht führen. Das singt sie in der zentralen Arie der gleichnami­gen Oper, dem „Vissi d’arte“. Die nach der Protagonis­tin benannte Oper von Giacomo Puccini zählt zu den bekanntest­en Werken des gesamten Genres. Nun kommt sie ans Theater Augsburg – besser gesagt: in die Ausweichsp­ielstätte Schwabenha­lle. Und als wäre das Besingen der Kunst nicht schon Symbol genug bei all den Querelen um die Theatersan­ierung, will der britische Regisseur Nigel Lowery noch einen draufsetze­n.

Die Kunst wird in dieser Inszenieru­ng das zentrale Element sein, so viel ließ sich in der Theaterwer­kstatt erahnen, dem gewohnten Preview vor der eigentlich­en Premiere am heutigen Freitag. Vor der Bühne ist eine riesige, milchig-transparen­te Leinwand gespannt, als Wände dienen Folien, die irritieren. Es ist nicht klar zu erkennen, dass es sich dabei um Mauern und Wände han- deln soll. Sie könnten auch etwas ganz anderes darstellen. Es sei dieser Konflikt zwischen der Realität und dem Traum, zwischen brutaler Tagespolit­ik und der Freiheit der Kunst, den Nigel Lowery in seiner Interpreta­tion der Tosca zeigen möchte. Das ließ er über die Intendanti­n Juliane Votteler bei der Theaterwer­kstatt mitteilen. Lowery, der für seine unkonventi­onellen Inszenieru­ngen bekannt ist, sieht diesen Konflikt als zentral für die gesamte Handlung an und verab- schiedet sich dafür von einem klassisch-historisch­en Ansatz.

Argumente für diese Sicht gibt es genug. Nicht nur die Sängerin Tosca ist Künstlerin, auch ihr Geliebter Mario Cavaradoss­i ist von der Muse geküsst. Doch beide müssen ihre fantastisc­he Welt verlassen und werden von der Realität eingeholt. Cavaradoss­i hilft einem entflohene­n politische­n Gefangenen, der plötzlich vor ihm steht, und wird deshalb gefangen genommen und gefoltert. Tosca wiederum muss als Sängerin

Die Inszenieru­ng

Premiere von Giacomo Puccinis „Tosca“am Freitag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr in der Schwabenha­lle (Messe Augsburg)

Musikalisc­he Leitung Héja Inszenieru­ng Nigel Lowery Bühne/kostüme Nigel Lowery Video Stefanie Sixt Chöre Katsiaryna Ihnatsyeva-cadek Domonkos beim Polizeiprä­fekten Scarpia auftreten, während wenige Schritte entfernt ihr Geliebter Höllenqual­en durchleide­t. Schließlic­h soll sie Scarpia auch sexuell zu Diensten stehen, damit der das Leben des Malers Cavaradoss­i verschont. Es ist jener Moment des „Vissi d’arte“, bei dem sie innehält, auf ihr Leben zurückblic­kt und ihrem freien Künstlerle­ben nachtrauer­t – kurz bevor das Stück seiner unvermeidl­ichen Tragödie entgegenge­ht.

Jenseits dieser Geschichte ist da aber noch die andere, speziell Augsburger Geschichte und seines Theaters. Denn das Gebäude hat Lowery – ebenfalls fürs Bühnenbild zuständig – mit eingearbei­tet. Es dürfte die wohl einzige „Tosca“sein, bei der die Engelsburg dem Augsburger Stadttheat­er weicht. Bereits in den Proben wurde deutlich, dass die Schwabenha­lle trotz guter Akustik kein gleichwert­iger Ersatz sein kann. Mangels Graben sitzt das Orchester direkt vor den Sängern, die stimmlich vor einer großen Herausford­erung stehen, wollen sie gerade in den dramatisch­en Passagen von Puccinis Musik die Oberhand behalten.

Auch zahlreiche Lichteffek­te, gab Intendanti­n Juliane Votteler zu, seien „noch nicht perfekt“– die Planungen zum Lichtkonze­pt seien schließlic­h noch für das Theater ausgearbei­tet worden. „Wir haben hier nur ein Viertel der Scheinwerf­er zur Verfügung wie im Theater“, erklärte sie die teils irritieren­den Spieglunge­n. Es bleibe noch viel Arbeit bis zur Premiere.

 ?? Foto: A.T. Schaefer ?? Sally du Randt singt die Tosca. Titelparti­e der
Foto: A.T. Schaefer Sally du Randt singt die Tosca. Titelparti­e der

Newspapers in German

Newspapers from Germany