Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie Religion gelebt wird
Eine Tagung über den Glauben heute
Terry Swartzberg hat es in München ausprobiert: Seit 2012 läuft er mit Käppchen durch die Stadt und macht sich als Jude kenntlich. Dabei hat der 63-Jährige erst spät die Religion seiner Familie wiederentdeckt. „Es war nie so schön, religiös zu sein, wie jetzt“, sagt der Journalist Swartzberg, obwohl 90 Prozent seiner Münchner Freunde Religion ablehnen und für die Einstiegsdroge in den Fundamentalismus halten. Auf der Tagung „Religiöse Identität in der pluralen Gesellschaft“zum Jahrestag des Augsburger Religionsfriedens von 1555 im Augustanasaal sollte der unbekümmerte, aber nicht unkritische Swartzberg die Richtung vorgeben: Authentisch ausgelebt wird Religion heute individuell.
Die katholische Moraltheologin Kerstin Schlögl-flierl hält ebenfalls große Stücke auf die Bildung eines religiös fundierten Gewissens. Sie wolle ihren Studenten eine gewisse Wertorientierung mitgeben und die Aussagen des kirchlichen Lehramtes in den kontroversen Fragen der Gegenwart vermitteln, die zum Beispiel aus der medizinischen Diagnostik (Abtreibung, Sterbehilfe) oder der gesellschaftlichen Freizügigkeit (Sexualität) resultieren.
Mustafa Ayanoglu, der in Augsburg junge Muslime für ihr Rollenverständnis coacht, setzte sich auf dem Podium mit den Salafisten auseinander. Sie seien zwar lautstark, aber keineswegs repräsentativ für den deutschen Islam. Bei den Salafisten gehe es eher darum, schwache, an den Rand gedrängte Jugendliche in einer Gemeinschaft zu binden, als sie muslimisch zu erziehen. Ayanoglu sprach sich dafür aus, junge Muslime nicht zu Entscheidungen zu zwingen: Sie dürften sowohl türkisch als auch deutsch sein.
Eren Güvercin, ein Publizist und Blogger („Grenzgängerbeatz“) aus Köln, beklagte, dass sich unter muslimischen Jugendlichen eine Opferhaltung ausbreite. Islam sei aber in erster Linie eine Lebensweise, keine ethnische Zugehörigkeit. Wie der Islam in Deutschland auszusehen hat, „das müssen die Muslime mit sich selbst ausmachen“. Dabei sollten sie lernen, ihre Religion individuell authentisch auszuüben.