Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Weg mit den alten Klischees! Mein Augsburg
Wenn selbst Münchner die Augsburger offen und gesellig finden, muss sich gewaltig was verändert haben. Der fundamentale Wandel einer Stadt
Der Augsburger als solcher hat noch immer mit dem alten Vorurteil zu kämpfen, wortkarg und muffelig, insgesamt ein recht eigenwilliger und verschlossener Geselle zu sein. So eine Art „Herr Ranzmayr“also, wie er vom Kabarettisten Silvano Tuiach in Reinkultur verkörpert wird. Ist der Augsburger für Fremde wirklich so ein garstiger Typ? Wohl eher nicht mehr. Es mag ja sein, dass die Stadt vor 30 Jahren noch ziemlich spießig und kleinbürgerlich wirkte. Wenn es denn überhaupt so war, sind die Zeiten jedenfalls vorbei. Selbst in München, wo die stolzen Weltstädter früher mit Blick in den Westen abschätzig von der „Oberprovinzhauptstadt“sprachen, genießt Augsburg seit einiger Zeit einen sehr guten Ruf. Und das nicht erst, seit die Bayern gegen die abstiegsresistenten Augsburger auf dem Fußballfeld antreten müssen.
Seit sich ein Normalsterblicher an der Isar das Wohnen kaum mehr leisten kann, setzt sich dort eine neue Sichtweise durch: „München ist schön, wenn man in Augsburg wohnt.“So kommt es, dass immer mehr Münchner zu Augsburgern werden und zu ihrer Überraschung hier nicht auf die einheimische Spezies treffen wie eingangs beschrieben.
Und doch hat uns diese Woche das Statement einer Münchner Wahl-augsburgerin sehr übermünchner? rascht, die beim Weggehen am Abend Erstaunliches bemerkt haben will: Der Augsburger sei geselliger als der Münchner. Die Münchner interessierten sich nicht für andere. Die Augsburger dagegen schon. Sie seien offener. Richtig gehört, Augsburger aufgeschlossener als Da hat sich das Bild einer Stadt offenbar mächtig gewandelt. Es ist aber auch wahr: Wer die vergangenen 30 Jahre überblicken kann, muss feststellen, dass Augsburg sein provinzielles Image abgestreift hat. Es gab einen fundamentalen Wandel, ausgelöst durch verschiedene Faktoren, vor allem aber durch die demografische Entwicklung. In drei Jahrzehnten wuchs eine komplett andere Stadtgesellschaft heran. In der von Zuwanderung geprägten Stadt herrscht eine kulturelle Vielfalt und Offenheit, wie sie früher nicht für möglich gehalten worden wäre.
Wenn 40 Prozent der Bürger als Migranten gelten, macht dies augenfällig, wie stark der Umbruch in der Bevölkerung verlief. Die auf Wachstum gepeilte Stadt bleibt durch den Zuzug vieler Menschen weiter in Bewegung. Fast jeder zehnte Augsburger ist hier gerade mal ein Jahr zu Hause – statistisch gesehen. Rechnet man es hoch, ergibt sich eine imposante Zahl: Fast ein Drittel der Bevölkerung ist erst in den letzten fünf Jahren in der Stadt angekommen. Kein Wunder also, dass sich Gesellschaft und Stadtbild so grundlegend gewandelt haben.
Der Lebensqualität hat dies eher genutzt als geschadet. Das findet der Autor, der 1985 in die Stadt kam. Es war ein anderes Augsburg – nicht so schlecht wie sein damaliger Ruf. Aber bei Weitem nicht so vielfältig, bunt und lebenswert wie heute. Die vielen Münchner, die das Wohnen am Lech schätzen, können sich nicht täuschen. Augsburg ist seine alten negativen Klischees los geworden. Endlich.