Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Vom Brexit genervt
Großbritannien Londons Eu-botschafter tritt nicht nur zurück, sondern tritt auch nach
London Es ist ein Paukenschlag und offenbart die Krise, in der London steckt: Der erfahrenste Europakenner des Landes, Londons Eubotschafter Ivan Rogers, ist von seinem Posten zurückgetreten. Schon lange rumorte es zwischen einigen der zur Neutralität verpflichteten britischen Beamten und den regierenden Torys: Man konnte sich nicht auf eine Strategie für die Scheidung von Brüssel einigen. Jetzt rügte Rogers, ungewöhnlich für einen Top-diplomaten, die Regierung scharf. „Es mangelt an ernsthafter, multilateraler Verhandlungserfahrung in der Regierung“, schreibt Rogers mit Blick auf den geplanten Brexit. An seine früheren Mitarbeiter appellierte er, „nie davor Angst zu haben, jenen an der Macht die Wahrheit zu sagen“.
Die Folgen des Rücktritts könnten für Premierministerin Theresa May bitter werden. Denn Rogers hinterlässt eine riesige Lücke im „Team Großbritannien“, die laut Insidern so schnell nicht zu schließen ist. Er kennt die europäischen Partner in Brüssel, die bald auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen werden, wie kein Zweiter und weiß um die internen Vorgänge in der EU.
Sein Entschluss stellt May bloß: „Es zeigt, was wir alle schon wussten: Die Regierung hat keinen Plan“, sagte Jonathan Powell, Tony Blairs ehemaliger Stabschef, gestern. „Ein Glück, dass wir den los sind“, polterte dagegen die rechtskonservative und forderte: „Wählt nun einen Diplomaten, der wirklich hinter dem Brexit steht.“
Abgesehen von dem ungewöhnlichen Schritt, dass ein Botschafter überhaupt zurücktritt, sorgte der Zeitpunkt für Verwunderung. Nur wenige Wochen vor dem geplanten Beginn des Austrittsprozederes gibt der Chefdiplomat, der seit sechs Jahren die britische Europapolitik gestaltet hat, auf. Am späten Dienstagabend fand dann auch die Abschieds-e-mail von Rogers an seine Mitarbeiter mit den kritischen Zitaten wohl nicht ganz zufällig ihren Weg an die Öffentlichkeit.