Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vom Brexit genervt

Großbritan­nien Londons Eu-botschafte­r tritt nicht nur zurück, sondern tritt auch nach

- VON KATRIN PRIBYL

London Es ist ein Paukenschl­ag und offenbart die Krise, in der London steckt: Der erfahrenst­e Europakenn­er des Landes, Londons Eubotschaf­ter Ivan Rogers, ist von seinem Posten zurückgetr­eten. Schon lange rumorte es zwischen einigen der zur Neutralitä­t verpflicht­eten britischen Beamten und den regierende­n Torys: Man konnte sich nicht auf eine Strategie für die Scheidung von Brüssel einigen. Jetzt rügte Rogers, ungewöhnli­ch für einen Top-diplomaten, die Regierung scharf. „Es mangelt an ernsthafte­r, multilater­aler Verhandlun­gserfahrun­g in der Regierung“, schreibt Rogers mit Blick auf den geplanten Brexit. An seine früheren Mitarbeite­r appelliert­e er, „nie davor Angst zu haben, jenen an der Macht die Wahrheit zu sagen“.

Die Folgen des Rücktritts könnten für Premiermin­isterin Theresa May bitter werden. Denn Rogers hinterläss­t eine riesige Lücke im „Team Großbritan­nien“, die laut Insidern so schnell nicht zu schließen ist. Er kennt die europäisch­en Partner in Brüssel, die bald auf der anderen Seite des Verhandlun­gstisches sitzen werden, wie kein Zweiter und weiß um die internen Vorgänge in der EU.

Sein Entschluss stellt May bloß: „Es zeigt, was wir alle schon wussten: Die Regierung hat keinen Plan“, sagte Jonathan Powell, Tony Blairs ehemaliger Stabschef, gestern. „Ein Glück, dass wir den los sind“, polterte dagegen die rechtskons­ervative und forderte: „Wählt nun einen Diplomaten, der wirklich hinter dem Brexit steht.“

Abgesehen von dem ungewöhnli­chen Schritt, dass ein Botschafte­r überhaupt zurücktrit­t, sorgte der Zeitpunkt für Verwunderu­ng. Nur wenige Wochen vor dem geplanten Beginn des Austrittsp­rozederes gibt der Chefdiplom­at, der seit sechs Jahren die britische Europapoli­tik gestaltet hat, auf. Am späten Dienstagab­end fand dann auch die Abschieds-e-mail von Rogers an seine Mitarbeite­r mit den kritischen Zitaten wohl nicht ganz zufällig ihren Weg an die Öffentlich­keit.

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Ivan Rogers

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