Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So stark könnten die Preise steigen

Kaufkraft Im Dezember ist die Inflation überrasche­nd deutlich auf 1,7 Prozent geklettert. Und die Teuerung könnte noch weiter zunehmen. Sparern steht ein Debakel bevor

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Lange Zeit ist die Inflation in Deutschlan­d nahe der Null-prozent-marke gedümpelt. Die Europäisch­e Zentralban­k hatte sogar einen andauernde­n Verfall der Preise und eine Abwärtsspi­rale der Wirtschaft befürchtet, weshalb sie die Märkte mit billigem Geld flutet. Doch jetzt ist die Geldentwer­tung überrasche­nd zurückgeke­hrt. Die Preise zogen in Bayern im Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozent an. Auch in Deutschlan­d und in Europa wird das Leben teurer. In der Eurozone hat die Inflation den höchsten Stand seit über drei Jahren erreicht. Und das könnte noch längst nicht alles gewesen sein: „Der Winter wird heiß – zumindest preistechn­isch“, hat es kürzlich Kfw-chefvolksw­irt Jörg Zeuner zusammenge­fasst.

Ursache sind die zuletzt stark gestiegene­n Preise für Sprit und Heizöl, berichtet das Bayerische Landesamt für Statistik. Vor allem zum Jahresende 2016 musste deutlich tiefer in die Tasche langen, wer sein Auto tanken wollte oder Heizöl gekauft hat. Denn am 30. November hatte das Öl-kartell Opec beschlosse­n, die Fördermeng­e zu senken. Die Ankündigun­g trieb die Ölpreise unmittelba­r nach oben. Wer in unserer Region zum Beispiel einen 3000-Liter-tank zu Hause mit Heizöl füllen ließ, musste in der Woche vor Weihnachte­n rund 180 Euro mehr bezahlen als Ende November. Aber auch die Preise anderer Güter zogen im Laufe des Jahres an: Teurer geworden sind Lebensmitt­el wie Butter und Gemüse. Auch die Wohnungsmi­eten in Bayern stiegen. Und der Preisauftr­ieb könnte sich in den kommenden Monaten noch verschärfe­n.

Die Volkswirte der Allianz erwarten für den Euroraum im kommenden Monat eine Inflation von 1,5 Prozent. Im späteren Jahresverl­auf soll sich die Rate zwei Prozent nähern. Die deutschen Verbrauche­r könnte es noch schneller treffen: Bereits im Frühjahr könnte in Deutschlan­d die Inflation „die Zwei-prozent-marke übersteige­n“, prognostiz­iert Stefan Bielmeier, Chefvolksw­irt der genossensc­haftlichen Dz-bank. Und Kfw-chefvolksw­irt Jörg Zeuner meinte unlängst, dass die Inflation schon im Januar erstmals seit vier Jahren an der Zwei-prozent-marke kratzen könnte. Dafür gibt es mehrere Argumente.

Denn in Deutschlan­d profitiere­n Beschäftig­te in vielen Branchen von guten Tarifabsch­lüssen. Die Löhne steigen. „Aufgrund der robusten Entwicklun­g des deutschen Arbeits- markts könnte die Lohnentwic­klung hierzuland­e etwas stärker anziehen als in den anderen großen Euro-mitgliedsl­ändern“, schreibt Dz-chefvolksw­irt Bielmeier. Steigende Löhne ziehen häufig aber auch steigende Preise nach sich. Dazu kommt der Unsicherhe­itsfaktor Amerika. Dort will der angehende Us-präsident Donald Trump die Konjunktur ankurbeln. Damit dürfte die Wirtschaft wachsen und die Preise dürften steigen. Produkte aus den USA könnten teurer werden, vor allem, wenn der Euro schwach bleibt: „Eine massive Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar könnte die heimische Inflations­entwicklun­g über verteuerte Importe antreiben“, meint Bielmeier.

Damit droht dieses Jahr zu einem Debakel für Sparer zu werden. Denn während das Geld weniger wert wird, bekommen sie auf klassische Geldanlage­n kaum Zinsen. „Bleibt die Inflations­rate in diesen Gefilden, droht Sparern eine negative Realrendit­e“, warnt Daniel Franke vom Finanzport­al „Tagesgeldv­ergleich.net“. Der durchschni­ttliche Zinssatz für Tagesgelda­nlagen habe zum 1. Januar bei 0,24 Prozent gelegen.

Wie dramatisch die Preissteig­erung in den kommenden Monaten wird, ist aber noch nicht ausgemacht: Steigt der Ölpreis weniger stark oder fällt er sogar wieder, könnten die Preise trotz allem recht stabil bleiben. Bei der Dz-bank erwartet Chefvolksw­irt Bielmeier für Deutschlan­d eine Jahresinfl­ation von 1,5 Prozent. Er hält die Inflations­gefahren für „sehr begrenzt“. Ohnehin war die Jahresinfl­ation in Deutschlan­d 2016 mit 0,5 Prozent weit entfernt vom Ziel der Europäisch­en Zentralban­k. Diese sieht die Geldwertst­abilität bei knapp unter zwei Prozent gewährleis­tet.

Doch mit einer anziehende­n Inflation wird der Druck auf EZBCHEF Mario Draghi steigen, die Politik des billigen Geld zu verlassen. Der Leitzins liegt bei null Prozent. Um die Konjunktur zusätzlich zu stützen, hat die Zentralban­k im Dezember ihr Kaufprogra­mm für Staats- und Unternehme­nsanleihen bis mindestens Ende 2017 verlängert. Ab April werden damit monatlich statt wie bisher 80 Milliarden Euro immer noch 60 Milliarden in die Märkte gepumpt.

Fachleute fordern angesichts der steigenden Inflation ein Umsteuern: Draghis EZB müsse „die Flexibilit­ät zu einer schnellere­n Verringeru­ng der Anleihekäu­fe schaffen als derzeit geplant“, schlussfol­gerten gestern die Volkswirte der Allianz. Das wäre auch ein erster Schritt auf dem Weg zu steigenden Zinsen.

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Foto: Armin Weigel, dpa Im Supermarkt merken die Kunden es besonders deutlich: Die Preise vieler Lebensmitt­el sind wieder nach oben gegangen.

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