Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Georges Prêtre flirtete mit seinen Orchestern
Musik Der große französische Dirigent ist im Alter von 92 Jahren gestorben
Wien/paris Georges Prêtre flirtete als Dirigent mit seinen Orchestern, und gleichzeitig ließ er sich von der Musik verführen. Wunderschön zeigt das der Video-mitschnitt einer Bolero-aufführung mit dem italienischen Rai-rundfunk-orchester. Irgendwann vermischen sich die Grenzen, wer in dem Beziehungsdreieck zwischen Musik, Dirigent und Orchester der Verführte und der Verführer ist. Die Rollen wechseln. Mal gibt der Dirigent den Ton vor, mal zerschmilzt er unter den Klängen des Orchesters. Ein Fest fürs Ohr, genauso fürs Auge, vor allem aber ein Hochamt der Musik.
Gestern teilte der Wiener Musikverein mit, dass der französische Stardirigent Georges Prêtre gestorben ist. Der Maestro starb im Alter von 92 Jahren am Mittwochnachmittag in Frankreich. Damit endete das Leben eines Dirigenten, der in den großen Opern- und Konzerthäusern der Welt sein Zuhause gefunden hatte. Er dirigierte das Konzert zur Wiedereröffnung der New Yorker Metropolitan Opera, war zeitweise Generalmusikdirektor der Pariser Oper. Er arbeitete mit den Berliner Philharmonikern zusammen, dirigierte zwei Mal das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Überhaupt war er der österreichischen Hauptstadt eng verbunden. „Ich bin Franzose, aber mein Herz gehört Wien“, sagte er einmal.
Vor der Weltkarriere musste Prêtre allerdings als Dirigent die Ochsentour durch die Provinz absolvieren. Der 1924 im nordfranzösischen Waziers bei Douai Geborene ergatterte sein erstes Engagement in Marseille. Von dort ging es weiter nach Lille, nach Casablanca, nach Toulouse.
Ein früherer Förderer war der deutsche Stardirigent Herbert von Karajan, der ihn 1957 an der Wiener Staatsoper debütieren ließ. Es folgten viele Konzerte im Ausland. Prêtre galt als Lieblingsdirigent der Star-sopranistin Maria Callas, die er etwa in den Opern „Tosca“und „Carmen“dirigierte. Ursprünglich wollte Prêtre Komponist werden, wie er vor einigen Jahren in einem Interview erzählte – der Berufswunsch änderte sich, als er im Orchestergraben der Pariser Oper den großen Einfluss des Dirigenten auf die Musik miterlebte.