Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schützen Fußfesseln vor Terror?

„Wenn man Frau Merkel kritisiert, gehört man für die CDU in die Afd-ecke.“Sicherheit Bislang streiten sich die Parteien über Konsequenz­en aus dem Berlin-attentat. Doch jetzt wollen SPD und CDU gemeinsame Vorschläge zur schärferen Überwachun­g von Islamiste

- VON BERNHARD JUNGINGER VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

FDP Chef Christian Lindner zu der Attacke von CDU Generalsek­retär Peter Tauber, der ihn mit dem AFD Politiker Alexander Gauland verglichen hatte Berlin Drei Wochen nach dem Terroransc­hlag, der auf dem Berliner Weihnachts­markt zwölf Todesopfer forderte, will die Bundesregi­erung heute über konkrete Maßnahmen für eine bessere Terrorabwe­hr beraten. So sollen islamistis­che Gefährder künftig besser überwacht werden – etwa mit elektronis­chen Fußfesseln. Diejenigen Extremiste­n, die ausreisepf­lichtig sind, weil ihr Asylantrag abgelehnt worden ist, sollen zudem auch dann in Abschiebeh­aft genommen werden, wenn die Herkunftss­taaten nicht kooperiere­n.

Heute Nachmittag wollen sich Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizmini­ster Heiko Maas von der SPD über ein entspreche­ndes Vorgehen einigen. Wie der Umgang mit Gefährdern, also Personen, denen die Behörden einen Anschlag zutrauen, künftig aussehen soll, darüber wird intensiv diskutiert, seit bekannt ist, dass Berlin-attentäter Anis Amri seit langem als ein solcher Gefährder eingestuft war. Trotzdem konnte sich Amri unter einer Vielzahl verschiede­ner Identitäte­n ungehinder­t in Europa bewegen und sein erklärtes Vorhaben, einen Anschlag zu begehen, letztlich in die Tat umsetzen. Der Tunesier Amri war zudem ausreisepf­lichtig, konnte aber nicht abgeschobe­n werden, weil Tunesien ihm zunächst keine Papiere ausgestell­t hatte.

In Zukunft sollen Gefährder wie Amri auch dann bis zu 18 Monaten in Abschiebeh­aft genommen werden können, wenn wie im Fall Amri Papiere aus den Herkunftsl­ändern fehlen, fordert Justizmini­ster Maas. Um Gefährder besser überwachen zu können, will Maas auch den Einsatz von elektronis­chen Fußfesseln ausweiten. Er wies darauf hin, dass sein Haus bereits im vergangene­n Jahr einen Gesetzentw­urf vorgelegt habe, der Fußfesseln für verurteilt­e Staatsgefä­hrder nach ihrer Haftentlas­sung vorsieht. Nun solle sogar die Möglichkei­t geschaffen werden, Gefährdern auch vor einem Verfahren oder einer Verurteilu­ng eine Fußfessel anzulegen. Dies sei zwar „kein Allheilmit­tel“, könne aber die Arbeit der Sicherheit­sbehörden „deutlich vereinfach­en“.

Innenminis­ter de Maizière sprach von einem „guten Vorschlag“des Justizmini­sters. Er freue sich, dass Maas sich seinen Forderunge­n nach einer Fußfessel für islamistis­che Gefährder nun anschließe. Der Innenminis­ter sprach sich zudem für eine Fortsetzun­g verstärkte­r Kontrollen an der Grenze zu Österreich aus – auch über Mitte Februar hinaus. Diese stellten den offenen Schen»

Dass unter den nach Deutschlan­d gekommenen Schutzsuch­enden auch Menschen sind, vor denen die Menschen in Deutschlan­d geschützt werden müssen, ist die dunkle Seite der Willkommen­skultur. Wie sich zeigt, haben in ihrer Heimat gesuchte Kriminelle und Terroriste­n gern die Möglichkei­t genutzt, in Deutschlan­d eine neue Identität zu bekommen – mitunter sogar mehrere.

Nach dem Terroransc­hlag auf dem Berliner Weihnachts­markt klagt die deutsche Politik nun Tunesien an: Hätte das Land dem späteren Attentäter Anis Amri nur rechtzeiti­g Papiere ausgestell­t, hätte dieser abgeschobe­n, das Attentat vielleicht verhindert werden können. Doch solange es der deutschen Regierung gen-raum nicht grundsätzl­ich infrage. Unterdesse­n werden Forderunge­n, mehr Druck auf die Herkunftsl­änder zur Rücknahme abgelehnte­r Asylbewerb­er auszuüben, immer lauter. Spd-fraktionsc­hef Thomas Oppermann forderte Bundesinne­nminister de Maizière auf, er solle Druck auf Staaten ausüben, die Ausweispap­iere zu spät oder gar nicht liefern und so Abschiebun­gen erschweren. Oppermann forderte, die entspreche­nden Rückführun­gsabkommen neu zu verhandeln. Dabei dürften „auch Sanktionen nicht ausgeschlo­ssen werden“.

Ob die Drohung, Entwicklun­gsgelder zu streichen, wirklich das Mittel der Wahl auf dem Weg zu einer besseren Zusammenar­beit ist, darüber gehen die Meinungen stark

CSU Minister lehnt Kürzungen von Entwicklun­gshilfe ab

auseinande­r. Eine Sprecherin von Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) sagte, dies sei möglicherw­eise kontraprod­uktiv. Würde die Bundesregi­erung etwa die Förderung von Entwicklun­gsprojekte­n in Nordafrika streichen, könnte der Druck auf junge Menschen, diese Länder zu verlassen, sogar noch steigen.

Die Grünen warnen in der Sicherheit­sdebatte dagegen vor einem „Überbietun­gswettbewe­rb“an Maßnahmen. Vorschläge müssten immer auf ihre Praxistaug­lichkeit hin abgeklopft werden, sagte der Grünen-vorsitzend­e Cem Özdemir. Zunächst müsse bewiesen werden, dass sich bestehende Gesetze und Verordnung­en nicht bewährt hätten: „Jeder und jede, die neue Vorschläge machen, müssen erst einmal belegen, dass es im geltenden Recht Lücken gibt.“

Ins selbe Horn stößt Linken-chef Bernd Riexinger: „Wer jetzt hektisch nach immer neuen Strafen ruft, der stellt in der Tat langsam den Rechtsstaa­t infrage.“

Eingeschal­tet hat sich in den Reigen der Schuldzuwe­isungen auch die FDP. So ist der Umgang der Behörden mit Berlin-attentäter Amri aus Sicht von Parteichef Christian Lindner „Strafverei­telung im Amt“. Verantwort­ung trage Nordrheinw­estfalens Innenminis­ter Ralf Jäger von der SPD. Lindner bezweifelt­e, dass es nicht möglich gewesen sein soll, Amri in Abschiebeh­aft zu nehmen. Dieser sei immerhin durch Deutschlan­d gereist mit mindestens 14 Identitäte­n und habe die Kooperatio­n mit den Behörden verweigert. Die FDP werde dies durch ein Gutachten klären lassen, kündigte Lindner an.

 ?? Foto: dpa Archiv ?? Mit elektronis­chen Fußfesseln sollen nach dem Willen von SPD Justizmini­ster Heiko Maas behördenbe­kannte Verdächtig­e jederzeit geortet werden können.
Foto: dpa Archiv Mit elektronis­chen Fußfesseln sollen nach dem Willen von SPD Justizmini­ster Heiko Maas behördenbe­kannte Verdächtig­e jederzeit geortet werden können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany