Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Volkswagen wagt Comeback in den USA

Messe In den Vereinigte­n Staaten ist der Diesel-skandal ins Rollen gekommen. Doch der Hersteller aus Deutschlan­d macht sich dort schon wieder Hoffnung auf mehr Kommentar

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Detroit Ein Gitarrist spielt Blues, an einer Leinwand strahlt ein Bild von der Skyline Detroits und auf der Bühne steht ein extra für die USA gebauter Geländewag­en. „Wir wollen Amerikas Liebe für Volkswagen wieder entfachen“, sagt Markenchef Herbert Diess. Diese Liebe hat nach dem Diesel-skandal schweren Schaden genommen. Kurz vor Beginn der Automesse in Detroit will der Autobauer eine Botschaft vermitteln: VW hat verstanden. Nach einem Einbruch im Us-geschäft wähnt sich die Marke auf dem Weg der Besserung. Die Verkäufe auf dem wichtigen Us-markt haben angezogen – trotz des Verkaufsst­opps für Dieselfahr­zeuge, der nach den Manipulati­onen verhängt wurde. „We are here to stay“, sagt Amerika-chef Hinrich Woebcken – Volkswagen will bleiben. Und VW will mehr.

Europas größter Autobauer, der in den USA vor allem im Vergleich mit den hier starken asiatische­n Autobauern nur ein kleines Licht ist, will in den Staaten ein Comeback einläuten. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wolle VW ein „wichtiger und profitable­r Volumenher­steller“in den USA werden, kündigt Diess an. Das ist zwar ein großes Ziel, aber der Zeitraum ist auch sehr lang. Nicht ausgeschlo­ssen, dass der 58 Jahre alte Diess dann gar nicht mehr Markenchef in Wolfsburg ist.

Die USA waren für VW auch vor „Dieselgate“ein schwierige­s Pflaster. Seit 2007 weist VW bereits keine Gewinnkenn­zahlen mehr für die USA aus. Schon damals waren die Zahlen rot. Vw-betriebsra­tschef Bernd Osterloh nannte das Us-geschäft einmal eine „Katastroph­enveransta­ltung“. Branchenex­perten halten es aber zumindest für möglich, dass VW den Abgasskand­al in den USA abschüttel­n kann.

„Die Leute haben ein kurzes Gedächtnis“, sagt Sandy Schwartz vom Marktforsc­hungsunter­nehmen Cox Automotive mit Blick auf die Dieselkris­e. VW habe das Potenzial, in den kommenden Jahren zurückzuko­mmen. Erreichen will VW dies mit für die USA maßgeschne­iderten Modellen wie mit einer Variante des Tiguan, der für den Us-markt ein

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Bis Volkswagen nach der Dieselaffä­re wieder sicher auf den Beinen steht, ist es noch ein weiter Weg. Dass VW mit neuen Fahrzeugen in den USA auf der Autoshow in Detroit ein Comeback wagt, ist aller Achtung wert. Trotzdem dürften die Vereinigte­n Staaten für die Wolfsburge­r erst einmal schwierige­s Terrain bleiben.

Volkswagen hat erst recht spät eine Antwort auf die amerikanis­che Vorliebe für große Geländewag­en gesucht. Zudem ist der Abgasbetru­g des deutschen Autobauers in den USA aufgefloge­n. Dieser Imageverlu­st muss dort erst einmal wettgemach­t werden. Dazu kommen wenig länger ist als für Europa. Vor allem mit einer Offensive im Suvsegment – also bei den sportliche­n Geländewag­en – soll die Wende in den USA erreicht werden.

Dazu passt auch die neue Rollenvert­eilung: Statt eines Wolfsburge­r Zentralism­us wie früher sollen nun die einzelnen Regionen mehr Verantwort­ung bekommen. Die Zukunft des Diesel in den USA dagegen ist offen. VW habe nicht vor, den Diesel in den USA wieder einzuführe­n, sagt Diess – fügt aber hinzu: nichts sei ausgeschlo­ssen. Die Dieselkris­e hat seit dem Herbst 2015 bei VW tiefe Spuren hinterlass­en und den Autobauer in eine tiefe Krise gestürzt. Und „Dieselgate“ist noch lange nicht ausgestand­en. Noch vor der Amtseinfüh­rung von Donald Trump als Us-präsident am 20. Januar könnte VW Berichten zufolge einen Milliarden­vergleich mit dem Us-justizmini­sterium erreichen – und zwar noch in dieser Woche. Dabei geht es um strafrecht­liche Ermittlung­en. Die damit verbundene Strafzahlu­ng dürfte dem zufolge bei mehreren Milliarden Dollar liegen. Zivilrecht­lich hat sich VW mit Klägern und Behörden bereits geeinigt: VW muss mehr als 17 Milliarden Dollar zahlen.

Die Verhandlun­gen mit der Usjustiz sind auch der Grund dafür, dass einer fehlte in Detroit: Vwkonzernc­hef Matthias Müller sparte sich die Reise in die Us-metropole. Offizielle Begründung: Es gibt kein eigenes Veranstalt­ungsformat des Volkswagen-konzerns, deshalb kommt auch der Konzernvor­stand nicht. Müllers Verzicht könnte aber auch als eine Art Selbstschu­tz verstanden werden. In einem Radiointer­view hatte Müller den Abgasbetru­g vor einem Jahr in Detroit als „technische­s Problem“dargestell­t und herunterge­spielt. Auch wenn der Konzern schnell zurückrude­rte – bei den Us-behörden kam das nicht gut an. VW hat die Gespräche von Managern mit Journalist­en auf ein äußerst kleines Maß herunterge­fahren. Beim Neustartve­rsuch in den USA soll es diesmal keine Störgeräus­che geben. Andreas Hoenig

und Felix Frieler, dpa

 ?? Foto: Geoff Robins, afp ?? Mit diesem Geländewag­en – dem neuen Tiguan – will VW in den Vereinigte­n Staaten punkten. Die Wolfsburge­r enthüllten das Modell jetzt im Vorfeld der Auto Show in De troit.
Foto: Geoff Robins, afp Mit diesem Geländewag­en – dem neuen Tiguan – will VW in den Vereinigte­n Staaten punkten. Die Wolfsburge­r enthüllten das Modell jetzt im Vorfeld der Auto Show in De troit.

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