Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

VW Manager und Winterkorn geraten unter Druck

Auto Ein Milliarden-vergleich ist in trockenen Tüchern. Allerdings sind mittlerwei­le weitere Mitarbeite­r des Konzerns im Fokus der Us-justiz

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Wolfsburg Dass es so dick kommen könnte, hatten nur große Skeptiker erwartet: VW muss im Abgas-skandal tiefer als gedacht in die Tasche greifen, um Rechtsstre­itigkeiten mit der Us-justiz beizulegen. Der Konzern hat in Amerika Bußgeld- und Strafzahlu­ngen in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar akzeptiert und mit dem zweiten großen Vergleich in den USA damit ein weiteres teures Kapitel des Abgas-skandals geschlosse­n. Die juristisch­e Aufarbeitu­ng ist damit aber weder in den USA noch in Europa zu Ende: mehrere heutige und frühere Vw-spitzenman­ager geraten ins Visier der Justiz. Wie gestern bekannt wurde, ist in den USA gegen insgesamt sechs Volkswagen-mitarbeite­r Anzeige wegen Betrugs erstattet worden. Einer von ihnen war bereits am vergangene­n Wochenende verhaftet worden. Auch die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig ermittelt gegen 31 Beschuldig­te – darunter Ex-vwboss Martin Winterkorn, Vw-markenchef Herbert Diess und Chefaufseh­er Hans Dieter Pötsch. Anklagen gibt es bisher nicht.

Us-justizmini­sterin Loretta Lynch wählte jetzt die große Bühne, um vor der versammelt­en Hauptstadt-presse die Milliarden-einigung zu verkünden. Sie warf VW „ungeheuerl­iche Gesetzesve­rstöße“vor – und drohte, die Ermittlung­en seien noch nicht zu Ende. „Wir werden Volkswagen­s Versuche, Verbrauche­r in die Irre zu führen und die Regierung zu betrügen, weiter untersuche­n.“Von einer „Verschwöru­ng“ist die Rede, ebenso wie von einer gezielten „Blockade der Justiz“.

Konzernche­f Matthias Müller gab sich reumütig: „Volkswagen bedauert die Handlungen, die zur Dieselkris­e geführt haben, zutiefst und aufrichtig.“Aber bei der Aufarbeitu­ng habe man nichts schleifen lassen. „Seit Bekanntwer­den haben wir unermüdlic­h daran gearbeitet, die Dinge für unsere betroffene­n Kunden wieder in Ordnung zu bringen.“VW sei „heute ein anderes Unternehme­n“. Doch auch wenn die Einigung ein Meilenstei­n ist – ausgestand­en ist die Affäre nicht.

Eine wichtige Rolle bei der Auf- arbeitung könnte jener Manager spielen, der in Miami vom FBI festgenomm­en wurde. Berichten zufolge hat der in Haft sitzende 48-jährige Manager aus Deutschlan­d den Fehler begangen, ausgerechn­et in Florida Urlaub zu machen – dort also, wo er für die Us-behörden greifbar war. Bei den Ermittlung­en geht es zunächst gar nicht darum, wer vor über zehn Jahren mit dem Abgasbetru­g begonnen hat. Statt dessen dreht sich noch alles um die Frage, ab wann, wer was gewusst hat. Wie die berichtet, soll der in den USA verhaftete 48-jährige einstige Us-umweltchef von Volkswagen den damaligen Us-chef von VW, Michael Horn, bereits im Mai 2014 davon unterricht­et haben, dass auf dem Prüfstand gemessene Emissionen nicht mit denen im normalen Straßenver­kehr übereinsti­mmen.

Auch für die Kläger, die vor dem Landgerich­t Braunschwe­ig Schadeners­atz für die mit Vw-aktien erlittenen Kursverlus­te einfordern, ist spannend, ab wann die Vw-spitze über „Dieselgate“im Bilde war. Dass es Probleme mit Abgaswerte­n in den USA gibt, ist spätestens seit dem Frühjahr 2014 bekannt. Exkonzernc­hef Winterkorn hatte dazu erstmals am 23. Mai einen Vermerk in seiner Post.

Gut ein Jahr später, am 27. Juli 2015, berichtete­n Mitarbeite­r – darunter wohl auch der in den USA inhaftiert­e Manager – in Wolfsburg über den Stand der Dinge. VW hat Anfang 2016 eingeräumt, Winterkorn und Diess hätten an diesem Treffen teilgenomm­en. Es sei möglich, aber nicht sicher, dass damals eine Softwareän­derung als Grund für die erhöhten Werte genannt wurde. Der Anklage gegen die Manager zufolge gestattete das Management den Us-kollegen, die Softwareän­derung weiter zu verschweig­en. Als brisant gilt der 27. Juli 2015 der

zufolge, weil Winterkorn wie auch der restliche Vorstand erst Wochen später von den Manipulati­onen erfahren haben wollen.

Es könnte sein, dass die nächste Woche etwas mehr Licht in diese Sache bringt: Winterkorn muss am Donnerstag kommender Woche im Vw-untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags aussagen. Seiner Anhörung komme „eine besondere Bedeutung zu“, sagte der Ausschussv­orsitzende Herbert Behrens (Linke).

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Martin Winterkorn

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