Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Kapitän
Uwe Gensheimer gibt der deutschen Handball-nationalmannschaft ein Gesicht. Der Weltklasse-linksaußen ist Leitfigur und Sprachrohr – nicht nur auf dem Spielfeld
Uwe Gensheimer erlebt höchst emotionale Tage. Ihn erschüttert der plötzliche Tod seines Vaters Dieter vor rund einer Woche. Er trauert. Andererseits beseelen ihn Glücksmomente. Gensheimer ist Teil der deutschen Handball-nationalmannschaft, die derzeit in Frankreich um den Wm-titel spielt. Der 30-Jährige entschied sich, die WM mitzumachen. Das hätte sein Vater so gewollt, begründete er und bat um Verständnis, sich zu privaten Dingen während des Turniers nicht weiter zu äußern.
Wie wertvoll Gensheimer ist, bewies er sogleich beim Auftaktspiel. 13 Treffer erzielte der Weltklasselinksaußen und trug als „Spieler des Spiels“maßgeblich zum erfolgreichen Start bei. In der zweiten Partie schonte ihn Bundestrainer Sigurdsson und ließ ihn nur Siebenmeter werfen.
Gensheimer auf sein Wirken am Ball zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Als Kapitän geht er voran, führt die Mannschaft, ist deren Sprachrohr und agiert auch außerhalb des Spielfelds als Leitfigur. Nachdem die goldene Generation der Weltmeister abgetreten ist, gibt Gensheimer dem deutschen Handball ein Gesicht. Er selbst habe kein Problem damit, in der Öffentlichkeit zu stehen, meint er, der Handball brauche Galionsfiguren.
Viermal wurde Gensheimer zu Deutschlands „Handballer des Jahres“gewählt. Seit Sommer spielt er in Frankreich für das glamouröse Paris Saintgermain, nachdem er über ein Jahrzehnt das Trikot der Rhein-neckar Löwen trug. Gensheimer gilt als bester Linksaußen der Welt, hat Star-status. Titel sammelte er hingegen kaum: Mit den Löwen feierte er einen Meistertitel und gewann den Europapokal, mit Deutschland holte er Bronze bei Olympia. Die EM 2016 verpasste der gebürtige Mannheimer wegen einer Verletzung. Als die Deutschen jubelnd den Pokal stemmten, musste Gensheimer zuschauen. Einen bleibenden Eindruck hinterließ er dennoch im Rahmen des Titelgewinns: Als Kanzlerin Angela Merkel die Em-helden empfing, faltete Gensheimer beim gemeinsamen Gruppenfoto seine Hände zur Merkel-raute. Die einen sahen darin einen gelungenen Scherz, andere empfanden es als respektlos. Der deutsche Handballverband kontaktierte vorsichtshalber das Kanzleramt, um einen falschen Eindruck zu vermeiden. Gensheimers Geste bildete eine Ausnahme. Für Aufsehen sorgen sonst seine spektakulären Aktionen vor des Gegners Tor, seine gewaltigen Absprünge und seine trickreichen Würfe.
An seiner Wahlheimat Frankreich schätzt er neben gutem Essen das zurückgezogene Leben mit seiner Familie. Freundin Sandra hat er im vergangenen Jahr geheiratet, Söhnchen Matti ist ein halbes Jahr alt. „Das ist ein sehr, sehr schöner Zustand“, beschrieb er einmal. Zu diesem Zeitpunkt lebte sein Vater allerdings noch.