Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Kapitän

Uwe Gensheimer gibt der deutschen Handball-nationalma­nnschaft ein Gesicht. Der Weltklasse-linksaußen ist Leitfigur und Sprachrohr – nicht nur auf dem Spielfeld

- Johannes Graf Foto: dpa

Uwe Gensheimer erlebt höchst emotionale Tage. Ihn erschütter­t der plötzliche Tod seines Vaters Dieter vor rund einer Woche. Er trauert. Anderersei­ts beseelen ihn Glücksmome­nte. Gensheimer ist Teil der deutschen Handball-nationalma­nnschaft, die derzeit in Frankreich um den Wm-titel spielt. Der 30-Jährige entschied sich, die WM mitzumache­n. Das hätte sein Vater so gewollt, begründete er und bat um Verständni­s, sich zu privaten Dingen während des Turniers nicht weiter zu äußern.

Wie wertvoll Gensheimer ist, bewies er sogleich beim Auftaktspi­el. 13 Treffer erzielte der Weltklasse­linksaußen und trug als „Spieler des Spiels“maßgeblich zum erfolgreic­hen Start bei. In der zweiten Partie schonte ihn Bundestrai­ner Sigurdsson und ließ ihn nur Siebenmete­r werfen.

Gensheimer auf sein Wirken am Ball zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Als Kapitän geht er voran, führt die Mannschaft, ist deren Sprachrohr und agiert auch außerhalb des Spielfelds als Leitfigur. Nachdem die goldene Generation der Weltmeiste­r abgetreten ist, gibt Gensheimer dem deutschen Handball ein Gesicht. Er selbst habe kein Problem damit, in der Öffentlich­keit zu stehen, meint er, der Handball brauche Galionsfig­uren.

Viermal wurde Gensheimer zu Deutschlan­ds „Handballer des Jahres“gewählt. Seit Sommer spielt er in Frankreich für das glamouröse Paris Saintgerma­in, nachdem er über ein Jahrzehnt das Trikot der Rhein-neckar Löwen trug. Gensheimer gilt als bester Linksaußen der Welt, hat Star-status. Titel sammelte er hingegen kaum: Mit den Löwen feierte er einen Meistertit­el und gewann den Europapoka­l, mit Deutschlan­d holte er Bronze bei Olympia. Die EM 2016 verpasste der gebürtige Mannheimer wegen einer Verletzung. Als die Deutschen jubelnd den Pokal stemmten, musste Gensheimer zuschauen. Einen bleibenden Eindruck hinterließ er dennoch im Rahmen des Titelgewin­ns: Als Kanzlerin Angela Merkel die Em-helden empfing, faltete Gensheimer beim gemeinsame­n Gruppenfot­o seine Hände zur Merkel-raute. Die einen sahen darin einen gelungenen Scherz, andere empfanden es als respektlos. Der deutsche Handballve­rband kontaktier­te vorsichtsh­alber das Kanzleramt, um einen falschen Eindruck zu vermeiden. Gensheimer­s Geste bildete eine Ausnahme. Für Aufsehen sorgen sonst seine spektakulä­ren Aktionen vor des Gegners Tor, seine gewaltigen Absprünge und seine trickreich­en Würfe.

An seiner Wahlheimat Frankreich schätzt er neben gutem Essen das zurückgezo­gene Leben mit seiner Familie. Freundin Sandra hat er im vergangene­n Jahr geheiratet, Söhnchen Matti ist ein halbes Jahr alt. „Das ist ein sehr, sehr schöner Zustand“, beschrieb er einmal. Zu diesem Zeitpunkt lebte sein Vater allerdings noch.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany