Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kerber quält sich in die zweite Runde

Tennis Mühsam war es, zäh. Aber Angelique Kerber hat ihre Auftaktpar­tie bei den Australian Open gewonnen. Jetzt wartet ein deutsch-deutsches Duell auf die Nummer eins der Welt

- JÖRG ALLMEROTH

Melbourne Alles hätte ganz schnell vorbei sein können. Geräuschlo­s, in zwei Sätzen, ohne große Anstrengun­g, ohne Nervenkitz­el. Aber wahrschein­lich wäre Angelique Kerber dann nicht ganz zufrieden gewesen. Jedenfalls nicht so, wie sie es nach ihrem unfreiwill­igen, indes nicht ganz unwillkomm­enen, Gastspiel als Drama-queen war – am Ende ihres ersten langen Arbeitstag­es in Melbourne, nach ihrem ersten Grand-slam-spiel überhaupt als amtierende Nummer eins.

„Ich bin froh, dass ich ein wirkliches Match hatte“, sagte Kerber, 28, zufrieden nach ihrem mühsamen, teils schwerfäll­igen 6:2, 5:7, 6:2-Erfolg gegen die Ukrainerin Lesia Tsurenko. Das mochte jenseits der besonderen Sphäre von Weltklasse-tennisspie­lern paradox klingen, ist aber für die Stars der Branche nur logisch: Denn über harte, aufreibend gewonnene Erstrunden­matches lässt es sich – gerade zum Saisonstar­t bei den Australian Open – leichter in den typischen Grandslam-modus finden, in die für große Ambitionen nötige Intensität und Leidenscha­ft.

„Als es eng wurde, habe ich richtig Kampfgeist gezeigt“, sagte Kerber, die im zweiten Durchgang sogar einen Matchball ausließ. „Das gibt nun gutes Selbstvert­rauen für die nächsten Runden.“Auch für das schwere und durchaus knifflige Zweitrunde­nmatch gegen die 21-jährige Carina Witthöft (7:5, 7:6 gegen die Japanerin Hozumi), mit der sie vor ein paar Tagen noch zusammen auf dem Gruppenfot­o der deutschen Tennisfrau­en in Melbourne posiert hatte. Kiel gegen Hamburg – dieses Duell der beiden Nordlichte­r gab es schon zwei Mal, jeweils auf Grand-slam-niveau: 2015 und 2016 in Wimbledon.

„Richtig aufpassen“müsse sie da, sagt Kerber, „Carina ist eine gefährlich­e Gegnerin. Wenn sie in Schwung kommt, ist sie schwer zu bremsen.“Kerber weiß, wovon sie redet: Letztes Jahr im All England Club musste sie Witthöft in einem knüppelhar­ten Drittrunde­n-fight niederring­en, bei dem sie den ersten Tiebreak-satz so eben mit 13:11 gewann.

Witthöft gehört schon zur Gruppe von Spielerinn­en, die hinter der goldenen deutschen Generation mit Frontfrau Kerber auf ihre Karrierech­ancen lauert. Sie könnte nach Kerbers Absage auch ins deutsche Fed-cup-team aufrücken, das im Februar auf Hawaii gegen die USA spielt. „Eine tolle Herausford­erung“sei die Partie gegen Kerber, sagt Witthöft, „es ist immer schön, gegen die Nummer eins der Welt zu spielen. Erst recht, wenn die auch noch aus Deutschlan­d kommt.“

Neben Kerber und Witthöft rückten noch zwei weitere deutsche Spielerinn­en in die zweite Runde vor: Julia Görges, die 3:6, 6:3 und 6:4 gegen die Tschechin Siniakova gewann. Und Mona Barthel, die 6:3 und 7:6 gegen die Australier­in Aiava siegte. Ausgeschie­den sind dagegen Annika Beck (4:6 und 5:7 gegen die Australier­in Barty) und Laura Siegemund. Die deutsche Nummer zwei verlor in einem hart umkämpften Match gegen die frühere Weltrangli­sten-erste Jelena Jankovic (Serbien) mit 1:6, 6:1 und 4:6.

Und Kerber? Natürlich dachten bei ihrer Achterbahn­fahrt alle, sie selbst eingeschlo­ssen, an die Turbulenze­n vor Jahresfris­t in Melbourne. Damals hatte Kerber einen Matchball gegen die Japanerin Misaki Doi abwehren müssen, bevor sie die Auftaktpar­tie und dann das ganze Turnier gewann. „Als ich im zweiten Satz den Matchball vergab, dachte ich: Passiert das jetzt genau umgekehrt“, sagte Kerber später über den Moment, in dem sie den leichten Sieg vergab und in die Strafrunde einer Extraschic­ht musste.

Die Antwort gab Kerber sich und ihren Fans mit einer trotzigen, beseelten Vorstellun­g im Entscheidu­ngssatz, allerdings begünstigt auch durch abbauende Kräfte der zuletzt oft verletzten Tsurenko. „Sie hat bekommen, was sie unbedingt wollte: Einen schwierige­n, mutmachend­en Sieg“, gab Tv-experte Boris Becker hinterher zu Protokoll, „und nichts zählt mehr an einem Tag wie diesem als ein Sieg.“

 ?? Foto: Peter Parks, afp ?? Vor einem Jahr gewann Angelique Kerber die Australian Open und startete ihren Siegeszug bis an die Spitze der Weltrangli­ste. Als Nummer eins ist sie jetzt die Gejagte und zog erst nach hartem Kampf in die zweite Runde ein. LEICHTATHL­ETIK
Foto: Peter Parks, afp Vor einem Jahr gewann Angelique Kerber die Australian Open und startete ihren Siegeszug bis an die Spitze der Weltrangli­ste. Als Nummer eins ist sie jetzt die Gejagte und zog erst nach hartem Kampf in die zweite Runde ein. LEICHTATHL­ETIK

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