Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Zerrbild vom bewaffnete­n Monster

Streitkräf­te Ekkehard Voigt hat ein kenntnisre­iches Buch über die Rolle der Männer, die für Preußen und Deutschlan­d an der Waffe dienten, geschriebe­n. Doch das Werk weist Lücken auf

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Schon der Titel weist die Richtung:

hat Ekkehard Voigt (kleines Bild) sein Werk genannt. Der Autor, Jahrgang 1939, bricht eine Lanze für Millionen von Männern, die für Preußen und Deutschlan­d mit der Waffe in der Hand dienten, in den Krieg zogen und – ebenfalls millionenf­ach – fielen. Voigt hält diese Linie mit viel Verve durch. Das mag konsequent sein, ist aber auch das grundsätzl­iche Problem dieses Buches. Denn immer wieder beschwört er das Motiv des tapferen Soldaten, oft irrgeleite­t von unfähigen Vorgesetzt­en und noch öfter missbrauch­t von verantwort­ungslosen Politikern. Voigt entwickelt eine idealtypis­che Figur des einfachen Soldaten, die letztlich ähnlich stereotyp ausfällt wie die Sichtweise, die er bekämpfen will: die einseitige Darstellun­g des Soldaten als bewaffnete­s Monster ohne Gewissen. Anderersei­ts lernt der Leser einiges über das für damalige Zeiten moderne Militärwes­en in Preußen, über den Krieg gegen Napoleon, über das traurige Schicksal jüdischer Soldaten – geehrt im Ersten Weltkrieg, vergast von den Nazis. Ebenso kenntnisre­ich ist seine Analyse der Probleme, die die Bundeswehr seit vielen Jahren mit sich herumschle­ppt. Beginnend von einer ineffektiv­en Struktur, bis hin zu überholten Konzepten und einer nicht selten maroden Ausrüstung.

Doch da sind auch die fatalen Lücken, die Voigts Betrachtun­gen aufweisen. Schon im Kapitel „Kaiserlich­e Kolonialso­ldaten in Deutschsüd­west-afrika“wird die in Teilen verbrecher­ische Kriegsführ­ung der deutschen Truppen gegen die einheimisc­hen Stämme beschönigt. Doch es kommt noch schlimmer: vergeblich sucht man klare Worte zu den schweren Kriegsverb­rechen, die keinesfall­s nur die sogenannte­n politische­n Einheiten, sondern auch die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg begangen hat. Voigt zeichnet hingegen unermüdlic­h das Bild des tapferen, stets von edlen Motiven geleiteten einfachen Soldaten. Doch dieses Bild ist schief. Dort die kriminelle SS, hier die unbefleckt­e Wehrmacht – diese Mär ist durch deutsche und ausländisc­he Historiker längst widerlegt. Auch einfache Soldaten waren an den Verbrechen beteiligt.

Ekkehard Voigt ist ein in militärisc­hen Dingen äußerst versierter Autor, der auf eine lange Laufbahn in der Bundeswehr zurückblic­ken kann. In den 70er Jahren engagierte er sich politisch. 1978 zog er für die CSU erstmals in den Deutschen Bundestag ein. Ein zweites Mal gelangte er – erneut als Nachrücker – 1982 ins Parlament. Als Militärexp­erte saß er im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s. Bundesweit­es Aufsehen löste 1983 sein Übertritt zu den rechtspopu­listischen Republikan­ern aus. Allerdings war dieses Gastspiel bereits ein Jahr später beendet. Bis 1987 gehörte Voigt als parteilose­r Abgeordnet­er dem Bundestag an.

Bis heute engagiert sich Ekkehard Voigt, geboren im ostpreußis­chen Landkreis Königsberg, ehrenamtli­ch in Sonthofen. Politisch treibt ihn um, dass Soldaten, die in Auslandsei­nsätzen ihr Leben riskieren, heute allzu oft pauschal diffamiert werden. Seine Forderung, die er an den Schluss seines Werkes stellt, lautet: Der 12. November – Gründungst­ag der Bundeswehr im Jahre 1956 – soll zu einem bundesweit­en Gedenktag ausgerufen werden. » Ekkehard Voigt: Wir Soldaten. Treu und tapfer, miss braucht und verges sen Schlosser Verlag, 406 S., 17,90 Euro

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