Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kaufmann, Kabarettist und immer wieder Pfarrer
Jubiläum Hermann Wächter hat in 80 Jahren viel gemacht und erlebt. Im Fernsehen trat er mehrmals als Geistlicher auf. Und der Rückzug in ein stilleres Leben ist gar nicht so einfach
Zum 75. Geburtstag plante Hermann Wächter den „leisen Rückzug“. Und doch machte er vier Ausnahmen – für den Goldenen Saalverein und das dritte Fürstenzimmer im Rathaus, für die bei der Kultur in der Hochfeldstraße, für den Advent in Schwaben im Bürgersaal Stadtbergen und für einen Dreh bei „Dahoam is Dahoam“. Seine Frau Hannelore lächelt still in sich hinein, war sie doch immer die Frau an seiner Seite, die ihn in Kunst und Beruf gewähren ließ. „Wenn Frau und Familie nicht mitziehen“, sagt ihr Mann, „ist so etwas unmöglich.“
Am heutigen Dienstag ist das Vorhaben „leiser Rückzug“fünf Jahre alt. Nach seinen Kabarettkollegen Günter Gans und Hansheinz Köppendörfer ist Hermann Wächter „der letzte Scheibenwischer“, der sein 80. Lebensjahr vollendet. Mit drei weiblichen Mitglieder des Augsburger Ensembles Scheibenwischer bildeten die genannten Künstler die „Sechs mit scharfer Zunge“, wie sie in einem Zeitungsartikel 1964 genannt wurden. Besonders erinnert sich Hermann Wächter noch an einen ihrer regelmäßigen Auftritte im November 1963, als sie beschlossen, eine Vorstellung abzubrechen, weil nach der Pause eine Nummer aus dem Weißen Haus im Programm gewesen wäre. Der Grund: Über Radio war gerade vermeldet worden, dass John F. Kennedy erschossen wurde.
Hermann Wächter nahm vieles in Kauf, wenn er sich für etwas begeisterte. Der Schauspielunterricht erfolgte berufsbegleitend, bis er die Bühnenreifeprüfung ablegte. Nach einer kaufmännischen Ausbildung übte er seinen Beruf erst einmal in Augsburg, München und Stuttgart aus. Zehn Jahre lang kletterte er morgens um 3.30 Uhr in die Hosen, um mit dem Auto nach München zu fahren, den „Heimatspiegel“im Bayerischen Rundfunk zu moderieren und um 8 Uhr in Augsburg hinter seinem Schreibtisch beim Bezirk Schwaben zu sitzen. Allein beim Zuhören denken Leute von heute schnell an „Burnout“. Nicht so Hermann Wächter. Auf die Frage „Wie schafft man das?“, sagt er: „Vernünftig leben“, „Früh schlafen gehen“und „Gesund bleiben“.
1987 hatte ihn Bezirkstagspräsident Georg Simnacher in den öffentlichen Dienst geholt. Und bei all den verschiedenen Engagements ließ er einen Rat nie außer Acht: Obwohl ihm seine Prüfer großes Talent bescheinigten, hat er über all die Jahre einen Satz nicht vergessen: „Behalten sie bloß ihren Brotberuf.“Deshalb sei er „immer zweigleisig gefahren“. Erst kam der Beruf, dann die verschiedenen künstlerischen Leidenschaften, denen er ebenso über die Jahre treu blieb.
Nach 20 Jahren übergab er die Amateurtheater-beratung im Bezirk Schwaben 2007 an Dr. Sebastian Seidel, Leiter des Sensembletheaters im Textilviertel. Von den Augsburger Laiengruppen weiß er nur Gutes zu berichten. Genannt seien die Akteure von Kolping -Lechhausen um Werner Ohnemus ebenso wie die Firnhaberauer Theaterleut’ des TSV von Rainer Lechner oder die Theatergruppe Rampenlicht von Werner Habereder. Sämtliche genannte Bühnen hätten in seiner Zeit hervorragende Inszenierungen hervorgebracht.
Immer wieder stand Hermann Wächter auch vor der Kamera. Gerne wurde ihm die Rolle des Pfarrers gegeben. So etwa in der „Löwengrube“oder in „Josef Filser“, wobei ihm Geistliche bestätigten, dass Mimik und Gestik stimmten. Vor allem zwei Schauspieler nennt er, um zu verdeutlichen, dass die größten Stars und Könner oft im Umgang am unkompliziertesten waren. Willy Birgel beispielsweise, den Wächter um ein Zeitungsinterview bat und der einfach sagte: „Kommen Sie mit, wir reden, während ich mich umziehe.“Als völlig „normal“im Umgang beschreibt er ferner die heute im Fernsehen sehr gefragte Christine Neubauer.
Wächter selbst hat eigener Erzählung nach auch Rollen abgelehnt. Immer dann, wenn ihm das gesamte Drehbuch nicht gefiel oder die Kirche in ein schlechtes Licht gerückt worden wäre. Immerhin war er in jungen Jahren lange Zeit Ministrant in St. Georg. Wie schon eingangs erwähnt, verfügt der Jubilar über ein riesiges Netzwerk, das ihm den Rückzug auch im neunten Lebensjahrzehnt nicht leicht machen dürfte. Vor allem seine Kenntnisse über die schwäbische Mund- und Lebensart machen ihn zu dem Mann, der den Bezirk unter anderem bei der Messe afa verkörpern durfte.
Hannelore Wächter war 22 Jahre alt, er 27, als sie zusammenkamen. Sie beschreibt sich eher als „ausgesprochen ruhigen Menschen“, ihn eher als den „umtriebigen“. Einmal habe auch sie auf der Bühne gestanden, jedoch schnell gemerkt, dass die Schauspielerei nichts für sie ist. „Lampenfieber ist gut, weil es die Spannung erhält“, hakt ihr Mann ein, „aber es sollte weg sein, wenn der Vorhang aufgeht.“