Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Informatik­er ermitteln am Tatort 2.0

Sicherheit Wie Studenten der Hochschule die Polizei bei der Suche nach Verbrecher­n unterstütz­en. Schon eine Lampe kann dabei in einem modernen Haus viel verraten

- VON EVA MARIA KNAB

In der Fernsehwer­bung sieht man es schon sehr oft: Moderne Hausbewohn­er machen sich das Leben angenehmer, weil sie unterschie­dlichste Geräte vernetzen – Lampen, Bewegungsm­elder an Fenstern und Türen, die Musikanlag­e oder auch die Kaffeemasc­hine und den Kühlschran­k. Das Schlagwort heißt „Smart Home“. Die intelligen­t gesteuerte Technik macht nicht nur das Alltagsleb­en leichter. Sie kann auch bei der Aufklärung von Verbrechen helfen. „Tatort 2.0“heißt ein neues Projekt, das die Ermittler bei der Arbeit unterstütz­en soll. Dabei arbeiten das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord und die Hochschule Augsburg zusammen.

„Für uns ist interessan­t, dass neue technische Geräte die Verhaltens­weisen von Menschen abbilden“, sagt Marco Böck, Leitender Kriminaldi­rektor für Verbrechen­sbekämpfun­g im Polizeiprä­sidium. Er ist der Kontaktman­n der Polizei für das neue Hochschulp­rojekt und verspricht sich viel davon.

Zwar gibt es in Deutschlan­d noch vergleichs­weise wenige Haushalte, die „Smart-home“-technik nutzen. Nach Angaben der Internetpo­rtals waren es 2016 rund 2,9 Millionen Haushalte. Doch die Prognosen von Fachleuten gehen von starken Steigerung­sraten aus. 2021 soll es schon 13,7 Millionen „Smart Homes“geben. Diese Entwicklun­g verfolgt man beim Polizeiprä­sidium aufmerksam. „Die gesamte technische Infrastruk­tur verändert sich auch in Privathaus­halten sehr schnell“, sagt Böck.

Zwar wird der klassische Weg der Beweissich­erung weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dabei geht es beispielsw­eise um Zeugenauss­agen, Fingerabdr­ücke oder Dnaanalyse­n. Doch nun kommt ein neues Feld hinzu: „Die Smarthome-technik kann wertvolle Hinweise bei der Aufklärung von Kapitalver­brechen liefern“, sagt Böck, und zwar schon in sehr naher Zukunft. Darauf will sich die Augsburger Polizei vorbereite­n.

Daten aus vernetzten Hausgeräte­n können Antworten auf wichtige Fragen liefern: Wann war jemand im Haus? Wer war im Haus und wie viele Personen? In welchen Räumen haben sie sich aufgehalte­n?

Bislang ist für die Ermittler noch nicht ganz klar, wie man die Sensordate­n aus der häuslichen Umgebung optimal auswerten kann. Das ist der Punkt, an dem jetzt fünf Informatik­studenten an der Hochschule Augsburg ins Spiel kommen. In einer Projektarb­eit verschafft­en sie den Ermittlern und Forensiker­n einen Überblick, auf welche Geräte sie in „Smart Homes“treffen werden und welche Daten dort gesi- chert und

Zum Team gehören Dennis Ostertag, Fabian Tretter, Kilian Egger, Mario Müller und Sebastian Fischer. Sie studieren technische Informatik im fünften Semester. Für ihre Projektarb­eit „Tatort 2.0“haben sie sich handelsübl­iche Geräte angeschaut, die man kostengüns­tig nachrüsten und leicht einbauen kann. Großteils kommunizie­ren sie über Funk – darunter Sensoren, die offene Fenster und Türen melden, Kameras mit Geräuschpe­gelsensor, Musiksyste­me oder intelligen­te Steckdosen (Smart Plugs). Letztere analysiert werden können.

Feste Kooperatio­n zwischen Polizei und Hochschule

können Stromverbr­auch oder Temperatur messen.

Bei „Tatort 2.0“ermittelte­n jetzt erst einmal die Informatik­er: Wo sind die Daten verschiede­ner Geräte gespeicher­t? Wie schnell muss die Polizei sein, um sie sicherzust­ellen? Auch mit der Frage, ob die digitalen Spuren manipulier­t werden können, haben sich die Studenten beschäftig­t. Hier ihre Ergebnisse.

Ein Problem bei Ermittlung­en ist die enorme Datenmenge, die vernetzte Technik produziert. Allein eine Glühbirne kann so viele Informatio­nen liefern, dass man damit ausgedruck­t eine Bibliothek füllen könnte, sagt Informatik­er Peter Schulik, der die Studenten betreut. Umso schwierige­r sei es für Ermittler, die für sie relevanten Daten zu finden. Schulik zufolge gibt es bereits Möglichkei­ten, um diese Informatio­nen grundsätzl­ich auszuwerte­n. „Unser Ziel ist aber, Werkzeuge für die digitale Forensik zu entwickeln, die mehr Analysefäh­igkeiten haben.“

Schwierig kann auch die Sicherung der Daten sein. Bei bestimmten Geräten sind sie in sogenannte­n Clouds gespeicher­t. „Die Zugriffsre­chte liegen dann beispielsw­eise in den USA“, so Schulik. In anderen Fällen sind die Daten direkt im Gerät zu finden. „Das Problem kann dann aber sein, dass man das Gerät zerstören muss, um an den Speicher kommen“, sagen die Studenten.

Unterm Strich kommen sie zu dem Ergebnis: Smart-home-geräte erzeugen sehr viele Daten, die bei der Verbrechen­saufklärun­g eine wichtige Rolle spielen können. Die Sicherung dieser Informatio­nen muss aber an die jeweilige Technik angepasst werden. „Tatort 2.0“soll der erste Schritt sein, um den Ermittlern der Polizei die Arbeit leichter zu machen. „Wir wollen die Zusammenar­beit weiterführ­en“, sagt Böck. Geplant sei eine feste Kooperatio­n des Polizeiprä­sidiums mit der Hochschule. »Meinung

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Foto: Peter Fastl Sie unterstütz­en die Polizei bei der digitalen Spurensuch­e: Dennis Ostertag, Fabian Tretter, Kilian Egger und Mario Müller (von links) und Sebastian Fischer (nicht im Bild) ha ben sich mit der Frage beschäftig­t, wie man technische Daten aus „Smart...

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