Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was der Brexit für Bayern bedeutet

Handel Der Eu-austritt der Briten hat möglicherw­eise gravierend­e Folgen für die Wirtschaft im Freistaat. Denn viele Betriebe machen auf der Insel gute Geschäfte. Aber wie lange noch?

- VON SARAH SCHIERACK

Bild: Delphine Poggianti, Fotolia Augsburg Axel Sir neigt zu Gelassenhe­it. „Panik ist ein schlechter Ratgeber“, sagt der Außenhande­lsexperte der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben. Seit die Briten vor knapp sieben Monaten entschiede­n haben, die Europäisch­e Union zu verlassen, hat er viele Gespräche mit Unternehme­rn geführt. Sein Ratschlag war stets der gleiche: abwarten.

An dieser Haltung hält Sir auch nach der Grundsatzr­ede von Theresa May fest. Die britische Premiermin­isterin hat darin angekündig­t, einen Ausstieg ihres Landes aus dem Eu-binnenmark­t in Kauf zu nehmen. Wie die Wirtschaft­sbeziehung­en künftig aussehen, soll bis 2019 erarbeitet werden. Bei Axel Sir überwiegt trotzdem der Optimismus: „Ich hoffe, dass der wirtschaft­liche Sachversta­nd obsiegt.“

Denn fest steht: Deutschlan­d und ganz besonders Bayern können auf die guten Wirtschaft­sbeziehung­en zum Vereinigte­n Königreich kaum verzichten. Die Briten gehören zu den wichtigste­n Handelspar­tnern überhaupt. Bis Oktober vergangene­n Jahres haben Waren im Wert von fast 13 Milliarden Euro den Freistaat in Richtung Großbritan­nien verlassen. Nur in die USA haben bayerische Unternehme­n noch mehr exportiert. Allein der Autobauer BMW hat im Jahr 2015 rund

Großbritan­nien will die Zollunion verlassen

236 000 Autos nach Großbritan­nien verkauft, das sind etwa zehn Prozent des weltweiten Absatzes.

Auch in der Region gibt es enge Handelsver­flechtunge­n mit dem Land – vor allem im Maschinenb­au, bei Kfz-zulieferer­n, Lebensmitt­elherstell­ern und in der Logistik. In Schwaben pflegen nach Angaben der IHK etwa 550 Unternehme­n regelmäßig­e Geschäftsb­eziehungen mit britischen Firmen, 13 Betriebe produziere­n ihre Waren auch vor Ort. Ähnlich sieht es bei Firmen in Oberbayern aus. Außenhande­lsexperte Alexander Lau von der dortigen Industrie- und Handelskam­mer schätzt, dass Großbritan­nien der zweitwicht­igste Exportmark­t der oberbayeri­schen Betriebe ist.

Was aber würde ein harter Brexit für diese Unternehme­n bedeuten? Das Hauptprobl­em, sagt Ihk-experte Sir, sei der geplante Austritt der Briten aus der europäisch­en Zollunion. Aktuell werden für deutsche Unternehme­n an der Grenze keine Zölle fällig. Theresa May hat zwar angekündig­t, dass sie eine Zollverein­barung mit der EU für die Zeit nach dem Brexit treffen will. Wie diese aussieht, ist aber noch nicht klar. Deutsche Unternehme­n müssten sich deshalb nach Sirs Worten darauf einstellen, im Ernstfall wieder Importzöll­e zahlen zu müssen. Das könnte die deutschen Produkte verteuern – und damit auf dem britischen Markt weniger wettbewerb­sfähig machen.

Noch mehr als mögliche Zollkosten fürchtet Sir aber, dass die Zollabwick­lung mehr Bürokratie mit sich bringt. Das könne die Auslieferu­ng von Produkten erheblich verzögern – und damit auch teurer machen. Denn besonders in der Automobili­ndustrie arbeiten viele Unternehme­n nach dem Just-in-timeprinzi­p. Zubehör und Teile werden nicht vor Ort gelagert, sondern pünktlich zur Verarbeitu­ng vom Transportu­nternehmer ans Werk geliefert. Das spart Lagerplatz und somit Kosten. Verzögert sich allerdings die Lieferung, droht ein Produktion­sstopp. Je komplizier­ter die Auslieferu­ng wird, desto genauer überlegt sich ein Unternehme­r nach Sirs Worten, ob er seine Ware noch über die Grenze schickt oder nicht.

Auch Alexander Lau warnt vor einer Zollbarrie­re. Der Ihk-experte betont aber, dass ein Brexit auch Vorteile mit sich bringen könnte, zum Beispiel für Investoren. Der britische Finanzmini­ster George Osborne hat bereits angekündig­t, die Steuern für Unternehme­n drastisch zu senken – und Großbritan­nien dadurch für Konzerne deutlich attraktive­r zu machen.

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