Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Chinesen drücken sich nicht
Davos Wie Staatschef Xi Jinping auf dem Weltwirtschaftsforum die Rolle des Freihandels-befürworters einnimmt. Der Politiker nutzt das Fernbleiben anderer Polit-größen
Davos Freundlich lächelnd tritt Xi Jinping vor die Spitzenpolitiker und Wirtschaftsbosse in Davos. Er scheint sich wohlzufühlen im Scheinwerferlicht – der chinesische Staats- und Parteichef ist der Stargast auf dem Weltwirtschaftsforum, auch weil andere Spitzenpolitiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Top-politiker aus den USA in diesem Jahr fehlen, manche sagen, sich drücken, nutzt Xi den Moment: Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei gibt den Kämpfer für Freihandel und Globalisierung.
Nein zum Protektionismus, ja zum Freihandel – so lautet in Kürze die Botschaft, die Xi der versammelten Wirtschaftselite mitgebracht hat. In blumigen Bildern, für die die chinesische Sprache berühmt ist, wirbt er um Vertrauen in die internationale Arbeitsteilung, die derzeit von vielen Seiten unter Beschuss steht.
„In China sagt man gern, dass Honigmelonen aus bitteren Trauben wachsen und dass Dornen und Brennnesseln süße Früchte geben“, sagt Xi. „Nichts ist perfekt in der Welt.“Natürlich habe die Globalisierung zu neuen Problemen geführt. „Aber das ist kein Grund, sie pauschal abzuwerten oder abzuschreiben.“
Dabei hegen sogar viele Wirtschaftslenker mittlerweile erhebliche Zweifel am Nutzen der Globalisierung, wie eine Studie der Bera- PWC zeigt. Die Manager – selbst Spitzenverdiener – sorgen sich besonders um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.
Unterfüttert werden solche Bedenken nicht zuletzt von populistischen Ankündigungen etwa des künftigen Us-präsidenten Donald Trump, aus internationalen Freihandelsabkommen auszusteigen
Manchmal braucht es einen Kommunisten, um den Anschein zu erwecken, der Kapitalismus würde verteidigt. So absurd geht es in der globalisierten Wirtschaftswelt zu. Nachdem der künftige Us-präsident Trump sich zum Ober-protektionisten aufschwingt, verhält sich Chinas Staatschef Xi zumindest rhetorisch clever. Er übernimmt die Rolle des Wirtschaftsliberalen. Salopp gesagt macht der Chinese den Obama – ein Vorgang, der nicht einer bestimmten Komik entbehrt.
Denn China ist keine freie Marktwirtschaft nach deutschem oder amerikanischem Vorbild. Die Kommunisten verstehen es vielmehr, ihre gigantische Volkswirtschaft und die heimische Wirtschaft mit Strafzöllen abzuschotten. Auch wenn Anthony Scaramucci, so etwas wie der Statthalter des künftigen Präsidenten in Davos, versichert: „Wir wollen keine Handelskriege.“
Xi hingegen meint: „Viele Probleme, die die Welt heute belasten, sind nicht zurückzuführen auf die wirtschaftliche Globalisierung.“Die Antwort müsse vielmehr sein, Hantungsgesellschaft delsschranken noch weiter einzureißen – damit möglichst viele teilhaben am „großen Ozean“der Weltwirtschaft. Experten sind aber noch skeptisch, ob der starke Mann aus Peking wirklich hält, was er verspricht. „Aktionen sind lauter als Worte“, sagt Nariman Behravesh, Chefökonom von IHS Markit. Xi habe einen guten Start geliefert. „Das macht Hoffnung, aber wir müssen abwarten, was folgt.“
Doch braucht der Freihandel überhaupt einen Fürsprecher wie Xi? „Die Globalisierung ist nicht tot, sie muss nur besser rübergebracht werden“, meint jedenfalls Douglas Flint. Der einflussreiche Verwaltungsratschef der britischen Großbank HSBC spricht in Davos vor dutzenden Top-managern. Es sei nicht genug getan worden für diejenigen, die sich abgehängt fühlen, fährt Flint zwar kritisch fort. Dennoch: Durch die Globalisierung sei „die Welt ein besserer Ort geworden“. Flint stellt auch die Frage, ob das Zusammenwachsen der Welt überhaupt gestoppt werden könnte. Früher sei es um die Verlagerung von Fabriken gegangen, doch die Zeiten hätten sich geändert: „Ich weiß nicht, wie man in einer digitalen Welt Grenzen errichten will.“Heute sei es etwa eine Selbstverständlichkeit, online einzukaufen – er führte Schuhe als Beispiel an. „Die Kunden haben keine Ahnung, wo sie hergestellt wurden.“