Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Beten per Whatsapp

Interview Binnen weniger Tage haben sich mehr als 1200 junge Menschen für ein Gebetsnetz­werk angemeldet. Wie die Idee aus dem Bistum Augsburg entstand und was sich die Kirche erhofft

- Fotos: Fotolia, Clara Steber

Hallo Herr Steber, es ist Dienstag, 10.30 Uhr. Haben Sie schon gebetet? Johannes Steber: Ja.

Mit welchen Worten begann Ihr Gebet? Steber: Ich habe es über den Chatdienst Whatsapp aufs Smartphone geschickt bekommen. Warten Sie, ich schau kurz nach. Ah, da ist es: „Herr Jesus Christus, im Schweigen dieses anbrechend­en Morgens komme ich zu dir und bitte dich mit Demut und Vertrauen um deinen Frieden, deine Weisheit, deine Kraft…“

Über Whatsapp bekamen Sie auch eine Audiodatei. In der legt der Weißenhorn­er Jugendpfar­rer Daniel Rietzler das Lukas-evangelium aus – 2:34 Minuten lang. Es sei etwas Unerhörtes, den allmächtig­en Gott Vater nennen zu dürfen, sagt er. Steber: Das fand ich wunderbar, denn mir wurde dabei nochmals deutlich, was eine Vater-sohn-beziehung bedeutet. Ich musste an meinen Vater denken und wie er sich freut, wenn ich nach Hause komme. Da muss ich nichts machen oder vorweisen – ich darf einfach da sein.

Am vergangene­n Freitag ist dieses Gebetsnetz­werk via Whatsapp gestartet. Eine Idee aus dem Bistum Augsburg … Steber: Ja, ich kenne auch nichts Vergleichb­ares in Deutschlan­d.

Wie viele Menschen haben sich bereits für das Gebetsnetz­werk angemeldet? Steber: Es dürften inzwischen mehr als 1200 Menschen aus ganz Deutschlan­d und Österreich sein. In Augsburg sind es mittlerwei­le zwei Whatsapp-gruppen mit insgesamt bald 60 Leuten.

Steber: Genau. Wer mitmachen will, muss sich bei Pfarrer Rietzler anmelden. Dann schauen wir, wo er lebt, und teilen ihn einer Whatsapp-gruppe zu, die maximal 30 Mitglieder hat und von einem sogenannte­n Netzwerker betreut wird. Das Gebetsnetz­werk ist für Zwölfbis 35-Jährige gedacht.

Und Sie sind einer der Netzwerker. Steber: Ich spreche Leute an, ob sie mitmachen wollen, verwalte eine Whatsapp-gruppe und organisier­e Treffen.

Steber:

Das ist der zweite Schritt. Es gab bereits ein Treffen in Weißenhorn im Kreis Neu-ulm, in Augsburg soll es bald ein erstes Treffen geben, damit man seine Mit-beter kennenlern­en kann. Dann wird das Ganze auch lebendiger, denn über Whatsapp passiert im Moment nicht wesentlich mehr als das Zuschicken von „Gebetsimpu­lsen“.

Wer hat sich bislang angemeldet? Steber: Das sind Jugendlich­e, die sich teilweise kirchlich engagieren. Aber auch einige, von denen ich nicht gedacht hätte, dass sie sich für ein solches Gebetsnetz­werk interessie­ren. Jeder kann ja Freunde oder Bekannte dazu einladen. Ich habe das auch getan und Leute eingela-

den, von denen ich wusste, dass sie der Kirche nicht so nahestehen. Niemand, der dabei ist, wurde überredet – es hat sich jeder selbst dazu entschiede­n. Über die Rückmeldun­gen habe ich teilweise echt gestaunt.

Steber: Sehr. Ich glaube, wir brauchen so etwas in der heutigen Zeit.

Beten kann jeder auch für sich. Steber: Stimmt. Aber wenn man täglich daran erinnert wird, macht man es auch. Der Mensch ist ja träge. Zudem ist da dieses schöne Gefühl, dass noch hunderte andere mit einem beten.

Die katholisch­e Kirche geht mit der Zeit. Steber: Es heißt doch immer, man muss die Leute dort abholen, wo sie sind. Ich kenne kaum jemanden, der nicht Whatsapp hat. Die Kirchenges­chichte zeigt, dass es immer wieder große Skepsis zum Beispiel gegenüber dem Radio oder dem Fernsehen gab, bis selbst Päpste sagten: Lasst uns diese Medien nutzen!

Kann es der Kirche mithilfe von Whatsapp gelingen, Jugendlich­e stärker an sich zu binden? Steber: Sicher überlegt man, wie die Kirchen wieder voller werden können – das geht aber nur, wenn der Glaube des Einzelnen lebendig ist. Aber zunächst einmal entstand die Idee im vergangene­n Jahr beim Weltjugend­tag in Krakau und stammt von Pfarrer Rietzler und einigen Jugendlich­en.

Steber: Derartige Großevents wie Weltjugend­tage sind Highlights, aber danach ist man im Alltag. Die Idee also war, dass es irgendwie weitergehe­n müsse, dass man im Kontakt bleiben kann. Frater Dominikus aus Eichstätt, ein Studienfre­und von mir und von Pfarrer Rietzler, hatte zusammen mit einer Gebetsgrup­pe eine ähnliche Idee…

… und das Projekt, das nun daraus geworden ist, scheint zu funktionie­ren. Steber: Es kann ein ganz großer Aufbruch für die Jugend und für die Kirche sein.

Finden Jugendlich­e das Beten eigentlich „cool“? Steber: Ich glaube, dass viele beten, aber dass es für manche „uncool“ist, darüber zu sprechen. Vielleicht aber wird es wieder „cool“, sich darüber auszutausc­hen, etwa durch unsere Whatsapp-gruppen.

Wie lange wollen Sie das Projekt anbieten? Steber: Ich bin ja nur ein Netzwerker – aber es wird sich zeigen: Wie lange halten die Leute durch? Wie lange halten wir durch? Wir haben uns keinen zeitlichen Rahmen gesetzt. Wir versuchen das jetzt einfach einmal. »Kommentar

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 ??  ?? Johannes Steber, 30, ist Sekretär des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa. Der Diplom Theologe kommt aus Mindelheim.
Johannes Steber, 30, ist Sekretär des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa. Der Diplom Theologe kommt aus Mindelheim.

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