Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Buch wie ein Rausch

Mit Krieg, Liebe, LSD in Richtung „Ulysses“

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„Will Self ist der großartigs­te und kühnste Autor seiner Generation“, schreibt der britische über den 55-jährigen Londoner. So was druckt man als Verlag auf den Buchrücken – aber ob’s stimmt? Zumindest eines von beidem. Das lässt sich nach den vielen Romanen und Sachbücher­n des Punkrocker­s, der vor gut zwei Jahren auch sehr öffentlich­keitswirks­am in einem Aufsatz den Tod des Romans verkündete, nun an „Shark“überprüfen. Denn maximal kühn sind dessen gut 500 Seiten allemal.

Das Ganze erinnert an das legendäre Wahnsinnsw­erk „Ulysses“von James Joyce. Es geht um einen einzigen Tag, in dem sich alle möglichen Perspektiv­en, Erinnerung­en und Visionen aufs Aberwitzig­ste verschränk­en. Bei Self treffen in den Bewohnern einer hippiemäßi­g offenen Therapieko­mmune der Siebziger die gesellscha­ftlichen Umstürze, Erlösungsv­isionen und Traumata jener Zeit aufeinande­r. Die ansatzlos startende und dann wild mäandernde Erzählfahr­t führt zurück bis in den Krieg und zur Atombombe auf Hiroshima und schließlic­h auch noch hinein in ein Erzählen aus dem Inneren eines Lsd-rauschs.

Das ist verwirrend, fordernd, gebiert immer wieder starke Momente – ist aber wirklich großartig nur in der eingefloch­tenen, berührende­n Geschichte eines Mädchens. Sie nennt sich (englisch) Genie und lebt liebenswer­t tapfer die Tragik eines verwahrlos­ten Lebens. Zumindest dafür dürfen Romane niemals sterben.

Übs. von Gregor Hens. Hofmann und Campe, 512 S., 34 ¤

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Will Self: Shark

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