Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Lange Haftstrafen für Schlägerduo
Justiz Zwei Osteuropäer prügelten in Stadtbergen so massiv auf einen Zechkumpan ein, dass er beinahe starb. Den Schwerverletzten ließen sie einfach vor dem Haus liegen. Einer der Angeklagten hatte sogar noch Glück
Stadtbergen Das Augsburger Landgericht hat gestern zwei 29 und 37 Jahre alte Männer aus Osteuropa zu langen Haftstrafen verurteilt. Das Gericht unter Leitung von Richter Christoph Wiesner sah es nach sieben Verhandlungstagen als erwiesen an, dass die beiden im November 2015 in Stadtbergen einen Zechkumpan nach einem Streit unter Alkoholeinfluss so verprügelt haben, dass er beinahe starb. Sie ließen ihn danach einfach in der kalten Nacht liegen – ein Nachbar verständigte die Rettungskräfte und rettete dem Schwerverletzten so das Leben.
Richter Christoph Wiesner sagte: „Es war pures Glück, dass der Mann nicht gestorben ist.“Dementsprechend fielen auch die von ihm verhängten Strafen aus: Der 29-Jährige muss wegen versuchten Totschlags Jahre und acht Monate hinter Gitter, der ältere Mitangeklagte erhielt eine Strafe von sieben Jahren und sechs Monaten.
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Jüngeren eine Strafe von neun Jahren gefordert, für den 37-Jährigen acht Jahre. Der Jüngere galt dabei als Wiederholungstäter: In seiner Heimat Estland saß er bereits wegen einer ähnlichen Straftat im Gefängnis. Auch dort hatte er einen Menschen so schwer verprügelt, dass dieser zeitweise in Lebensgefahr schwebte.
Staatsanwalt Matthias Neumann hatte in seinem Plädoyer auch deswegen eine lange Haftstrafe gefordert: „Wir hatten jetzt zwei ähnlich gelagerte Fälle. Ein mögliches drittes Opfer überlebt einen Angriff wahrscheinlich nicht mehr.“Richter Christoph Wiesner bezog die Strafe aus Estland aber nicht in sein mit ein, weil die damaligen Hintergründe des Urteils und etwaige Verfahrensabsprachen nicht bekannt seien – folglich wurde der Mann so behandelt, als ob er nicht einschlägig verurteilt worden wäre.
Sehr wohl eine Rolle spielte hingegen die enorme Brutalität, mit der die Männer auf den 36-Jährigen einprügelten, mit dem sie sich zuvor betrunken hatten: Nachdem aus einem nichtigen Grund heraus ein Streit zwischen den Männern entbrannt war, prügelten die beiden auf ihn ein. Um die Wohnung, die der 37-Jährige angemietet hatte, nicht mit Blut zu besudeln, schleiften sie ihn über das Treppenhaus vor den Eingang des Wohnblocks – und malträtierten ihn dabei derart, dass er neben Blutergüssen am gesamten Körper auch mehrere Knochenbrüche im Kopfbereich erlitt. Die Ärzte im Augsburger Klinikum diagnostisieben zierten bei dem Verletzten einen Bruch der Augenhöhle und ein offenes Schädel-hirn-trauma.
Der 37-jährige Angeklagte hatte bis zuletzt bestritten, seinen Bekannten geschlagen zu haben und stellte sich als unbeteiligter Zeuge dar, dem es nicht gelungen war, dem Blutrausch seines Mitbewohners Einhalt zu gebieten. Bei dieser Version blieb er bis zuletzt: Während des Urteilspruches schüttelte er mit dem Blick auf seine im Gerichtssaal versammelte Familie den Kopf. Ein Gutachten des Landeskriminalamtes belastete ihn jedoch im Laufe der Beweisführung schwer: Anhand eines 3-D-modells konnten die Ermittler nachweisen, dass das Opfer neben diversen Faustschlägen auch mindestens sieben Tritte gegen den Kopf einstecken musste.
Anhand der auf dem Kopf gesicherten Abdrücke stammen demurteil nach vier von den Turnschuhen des 29-Jährigen – und vier von den mit Stahlkappen verstärkten Arbeitsschuhen des 37-Jährigen. Einer dieser Tritte mit den Spezialschuhen war es auch, der die schlimmste Verletzung verursachte: Dem 36-Jährigen wurde das Felsenbein gebrochen. Es ist der härteste Knochen im menschlichen Schädel – die Kraft, die aufgewendet werden muss, um ihn brechen zu lassen, ist demzufolge enorm.
Der 36-Jährige, der in dem Prozess als Nebenkläger auftrat, leidet laut seinem Anwalt Werner Weiss bis heute körperlich und seelisch unter den Folgen. Dass seine Peiniger ihm jeweils 10 000 Euro Schmerzensgeld zahlen müssen, dürfte für ihn ein schwacher Trost sein – zumal auch Richter Wiesner Zweifel daran äußerte, ob diese Summe jemals gezahlt werden wird.