Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Komm doch mal rüber
Netzwerk Bohrmaschine verleihen, Blumen gießen, Katze füttern: Auf der Internetplattform „nebenan.de“verbinden sich Nachbarn mit Nachbarn. In Augsburg wächst der Zuspruch
Bei Fabian, 33, soll es am Abend Forelle geben. Mit Kartoffeln. Die er nicht mehr im Haus hat, wie er feststellt, als er gerade mit dem Kochen beginnen will. Und das an einem Sonntag. „SOS – Küchennotfall!“schreibt er deshalb ins Internet. Eine Nachbarin liest das – und hilft Fabian kurzerhand mit Kartoffeln aus.
Es sind Alltagsgeschichten wie diese aus dem Augsburger Ulrichsviertel, für die „nebenan.de“steht. Das Portal will Bewohner eines Viertels online zusammenbringen, damit sie sich offline besser kennenlernen. Und sich gegenseitig unterstützen. Über „nebenan.de“verleihen Nachbarn ihre Bohrmaschine, sie bieten an, Katzen zu füttern oder Blumen zu gießen. Sie schließen sich aber auch zu Laufgruppen zusammen und empfehlen Ärzte.
Das Netzwerk funktioniert ein bisschen wie Facebook und doch anders. Nutzer registrieren sich mit einem Profilbild und können Beiträge verfassen. Entscheidend ist aber, wo sie wohnen – bei „nebenan.de“sieht man nur Beiträge aus dem eigenen Viertel. Wer mitmachen will, muss beweisen, dass er in der Nachbarschaft wohnt, indem er ein Dokument mit seiner Adresse einscannt oder den Zugangscode eines Flyers eingibt, den er bei sich im Briefkasten gefunden hat.
So wie die Bewohner des Ulrichsviertels kürzlich. „Hallo liebe Nachbarn“, stand auf dem schlicht gehaltenen DIN-A4-BLATT, „wir würden uns freuen, mehr mit euch in Kontakt zu treten.“Unterschrieben von „nebenan.de“und einer echten Nachbarin: Luca Aubele, die seit drei Jahren im Viertel lebt und dort mit dem „Kitzenmarkt“seit vergangenem Sommer auch ein Geschäft hat. „Gerade jüngere Menschen kennen ihre Nachbarn oft nicht“, sagt sie. Man sage sich vielleicht mal Hallo, mehr aber nicht. „Wie das in einer größeren Stadt eben so ist.“Aus diesem Gedanken heraus registrierte sich Luca Aubele bei der Plattform; um weitere Nachbarn dazu zu bewegen, forderte sie Flyer an; um deren Verteilung kümmerte sich „nebenan.de“.
Wenige Tage später tauschen sich bereits knapp 300 Bewohner des Ulrichsviertels auf dem digitalen schwarzen Brett aus. Und nicht nur dort. Auch den „1. Ulrichs-stammtisch“gab es bereits, in einem Lokal in der Nähe, sowie einen spontanen Snowboard-ausflug. Alles online organisiert.
Ähnlich wie bei Facebook gibt es einen News-feed, in dem Nutzer die Beiträge ihrer Nachbarn sehen. Das können neben gewöhnlichen Textnachrichten mit und ohne Foto auch Veranstaltungen sowie Dinge sein, die man verkaufen oder verschenken möchte. Zudem gibt es ein Fundbüro und Gruppen zu verschiedenen Themen. Alle Informationen sind geschützt, versprechen die Macher auf ihrer Homepage. Dort heißt es: „Suchmaschinen, Facebook und Co. können persönliche Inhalte nicht auslesen.“
In Augsburg gibt es nach Angaben von Ina Brunk, Mitbegründerin von „nebenan.de“, insgesamt zehn sogenannte Nachbarschaften, zum Beispiel das Jakoberviertel, wo ebenfalls rund 300 Bewohner aktiv sind. Im Antonsviertel sind es 200, in Göggingen-nord 170.
Deutschlandweit tauschen sich seit Ende 2015 Menschen in 2100 Netzwerken in über 100 Städten und ländlichen Regionen aus. „Täglich entstehen neue Nachbarschaften. Das Bedürfnis, seine Nachbarn wieder besser zu kennen und etwas näher zusammenzurücken, ist groß“, sagt Brunk. Ein Indiz dafür ist zumindest, dass nicht nur „nebenan.de“immer mehr Anmeldungen vorweisen kann. Plattformen wie „nachbarschaft.net“und „wirnachbarn.com“funktionieren nach dem gleichen Prinzip.