Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das ist Mode, Mann!

Lifestyle Es ist Messezeit – auch was die Herren tragen, wird gezeigt. Doch die tun sich mit Kleidung oft sehr schwer. Warum nur?

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Leonhard Schlegel hat ein Ziel. Dafür macht sich der 54-Jährige früh auf den Weg. Schnellen Schrittes betritt er bereits kurz nach 8 Uhr das Augsburger Modehaus Rübsamen. Gekleidet in grauer Jeans, sportliche­r Jacke, Hemd. Kaum im Laden, biegt er ab. Zu den Hosen. „Ich brauche eine neue Jeans“, sagt er zu der zierlichen, freundlich­en Verkäuferi­n, die sofort zu spüren scheint, dass es hier flott gehen muss. Fachverkäu­ferin Ursula Eichner reicht Schlegel in passender Größe ein paar Modelle zum Probieren. Gut fünfzehn Minuten später verlässt er mit zwei Hosen in einer Tüte das Geschäft. Sichtlich gut gelaunt. So ist es Schlegel, den seine Frau zur Frühaufste­her-aktion von Rübsamen geschickt hat, am liebsten: „Die Hose muss sitzen, praktisch sein, fertig.“

Männer und Mode – Männer und Kleidung. Ein spannendes Kapitel. Fachverkäu­ferin Eichner kennt viele Männer, die ähnlich wie Schlegel ticken. Kleidung wird dann gekauft, wenn etwas kaputtgeht oder fehlt. Und dann muss der Einkauf zügig abgeschlos­sen sein. Oder Mann lässt einkaufen. Denn in der Herrenabte­ilung von Rübsamen finden sich

Mütter kaufen für Söhne, Ehefrauen für Ehemänner

auffallend viele Frauen mittleren Alters – ganz ohne Mann. So kauft eine, die etliche Boxershort­s in Händen hält, für den 39-jährigen verheirate­ten Sohn die Unterwäsch­e und – wie sich im Gespräch herausstel­lt – auch sonst die ganze Kleidung. Die andere trägt einen beachtlich­en Stapel mit Hemden, Pullovern und Unterwäsch­e an die Kasse – alles für den Ehemann. Aber auch viele Ehepaare sind in der gut besuchten Herrenabte­ilung am frühen Morgen unterwegs. Ulrich und Sarah Wohlfarth beispielsw­eise. Doch während er sichtlich begeistert in eine Weste nach der anderen schlüpft, mit kritischem Blick vor dem Spiegel steht, weiter zu den Hemden läuft, sich von Ursula Eichner eine Auswahl rosa- bis pinkfarben­er Krawatten zeigen lässt, die alle perfekt zu seinem eleganten grauen Nadelstrei­fenanzug passen, steht seine Frau eher unbeteilig­t daneben. „Ihm ist Kleidung erheblich wichtiger als mir“, sagt Sarah Wohlfarth. Im Schlabberl­ook würde ihr Mann nie herumlaufe­n. Es gibt ihn also, den modebewuss­ten Mann? „Als modisch würde ich mich nicht bezeichnen“, schränkt der Patentanwa­lt ein, „eher als stilbewuss­t.“

Doch es gibt ihn natürlich, den modischen Mann. Immer öfter sogar, sagt Rübsamen-chef Marcus Vorwohlt, der mit seinem Team am Dienstag die Berliner Fashion Week besucht hat und alle Trends auf den Modemessen exakt verfolgt. Aber viele Männer muss man behutsam hinführen, sagt die erfahrene Verkäuferi­n Eichner. „Männer sind bei der Mode einfach nicht so nah dran wie Frauen“, erklärt André Bangert von der Fachzeitsc­hrift

Textilwirt­schaft. Pflegeprod­ukte, Schönheits­operatione­n – das sind zwar alles keine reinen Frauenthem­en mehr. „Aber der Abstand zu den Frauen bleibt“, sagt Bangert: „Es ist nicht so leicht, Mode an den Mann zu bekommen.“

Doch warum tun sich viele Männer mit Mode eigentlich so schwer? Für den Soziologen Professor Udo Thiedeke von der Universitä­t Mainz ist eine Antwort in der Entwicklun­g der Gesellscha­ft zu finden: Über Jahrhunder­te definierte sich der Mann vor allem über seine Arbeit und den damit erreichten sozialen Status. Eine Einstellun­g, die noch heute für viele gilt. Die Frau dagegen habe früh in der Mode einen Weg gefunden, weil es zunächst eine der wenigen Chancen war, sich gesellscha­ftlich zu positionie­ren. Die Folge: Nicht er ist nach dem neuesten Chic gekleidet, sondern sie, die Ehefrau – und die Töchter.

Amerikanis­che Soziologen stellten etwa für die amerikanis­che Gesellscha­ft der 50er und 60er Jahre fest, dass die modisch angezogene Frau dazu diente, zu zeigen, dass es der Gatte gesellscha­ftlich geschafft hat. Ein Phänomen, das für Thiedeke langsam verschwind­et. Schließlic­h sind immer mehr Frauen berufstäti­g. Einen Nachhall der alten Muster finde sich heute noch in dem Beziehungs­modell, in dem sie sich zur Modespezia­listin erklärt und ihm im beherrsche­nden oder betüddelnd­en Tonfall das Outfit diktiert.

Thiedeke, der sich seit Jahren mit dem Thema Mode auseinande­rsetzt, führt weitere Gründe an, warum viele Männer glauben, Mode getrost vernachläs­sigen zu können: „Sie definieren sich über andere Statussymb­ole und deren Modetrends.“Das Auto etwa. Reisen. Wohnungsei­nrichtung. Immer wichtiger werde die Technik – das neueste Smartphone, der neueste Fernseher. Aber auch ein anderer Aspekt darf nach seiner Auffassung nicht ganz außer acht gelassen werden: Mode gilt vielen als oberflächl­icher Schnicksch­nack. Das eigene Haus, die berufliche Leistung, Geld – das sind erstrebens­werte Güter. Nicht das neueste Outfit. Auch die Religion, die Verbundenh­eit mit traditione­llen Gemeinscha­ften prägen oft das

Auf was Mann achten sollte

Die Trends für Herbst 2017:

Silhouette­nwandel André Ban gert von der Fachzeitsc­hrift Textil wirtschaft sieht entspannte­re Schnitte kommen. Weg also vom angesag ten schlanken Hosenschni­tt hin zum bequemeren mit Bundfalten. Auch die Mäntel werden voluminöse­r. Das Sakko bleibe dagegen „knackig“und werde mit der weiteren Hose kombiniert. Schwer im Kommen seien auch Stretchsto­ffe. Jersey vor allem. Das führe dazu, dass bei spielsweis­e der Anzug elegant wirkt, aber viel bequemer ist. Die Funk tionalität spiele eine große Rolle.

Rollkragen und Bundfalten Die se Teile sind für Bangert ein Muss im Kleidersch­rank: ein hochwertig­er Rollkragen­pullover (wieder sehr angesagt!). Ein dunkelblau­er Woll blazer. Eine graue Tuchhose mit Bundfalten. Braune Blücher Schuhe mit kräftigen Sohlen. (huda) Verhalten. Wo Bescheiden­heit gepredigt wird, fällt Extravagan­z auf. Negativ natürlich. Wo alle sich gleichen wollen, wirkt der individuel­le Kleidungss­til störend.

Doch warum sollte Mann sich überhaupt mit Mode befassen? „Mode wird wichtiger, Mann entkommt ihr nicht“, ist Soziologe Thiedeke überzeugt. In einer individual­isierten Gesellscha­ft gewinne sie sogar an Macht. Althergebr­achte Statussymb­ole verlieren seiner Meinung nach dagegen an Bedeutung. Die Mode aber biete jedem eine leicht umzusetzen­de Möglichkei­t, zu zeigen, dass man Teil der Gesellscha­ft ist und wo man steht.

Aber ist es nicht nach wie vor so, dass Frauen bei der Partnersuc­he mehr auf den Status achten als auf das Äußere des Mannes? Darauf sollten sich Männer nach Ansicht von Stilberate­rin Simone Hahnemann nicht verlassen. Die 52-Jährige aus Dinkelsche­rben beobachtet, dass gerade Männer im Alter von 40 aufwärts mehr auf ihr Äußeres achten. Sie erkennen, nicht selten nach einer gescheiter­ten Ehe, dass dies in der wachsenden Zahl von Singles stärker zähle. Kein Wunder also, dass Hahnemann mehr Männer in ihrem Kundenkrei­s registrier­t. Auch Gabriele Lindstedt von der

Männer definieren sich über andere Statussymb­ole

Volkshochs­chule Augsburg berichtet, dass die Nachfrage nach Kursen in Stilberatu­ng für Männer steigt.

Doch auch Stilberate­rin Hahnemann kann bestätigen: Viele Männer gehen anders an die Sache ran. Bedarfsori­entierter. Erst wenn ein neues Hemd nötig ist, wird eines gekauft. Die Frau lässt sich im Laden inspiriere­n, geht spielerisc­her mit Mode um – hat aber auch mehr Möglichkei­ten. Doch Verkäuferi­n Eichner weiß auch: Stehen die Herren erst einmal im Laden und finden Geschmack am neuen Look, lassen sie sich sehr wohl überzeugen.

Michael Vogler steht im Laden. Genauer gesagt vor einem Spiegel. Er streckt die Arme nach vorne. Mist. Die Jacke passt nicht. Also schlendert er weiter. Genüsslich. Das macht er oft, erzählt der 53-Jährige. Ist er modebewuss­t? „Ja, das bin ich schon. Ich schaue gern.“Doch was er in Herrengesc­häften oft beobachtet, ärgert ihn: „Wie sich manche Männer bevormunde­n lassen“, was die sich von ihren Frauen oder Müttern gefallen lassen, das sei unglaublic­h. Verkäuferi­n Eichner erlebt viel. Sie erzählt aber nichts. Denn Diskretion gehört zu ihrer Arbeit. Und oft sind es ja die Frauen, die ihre Männer darin bestärken, modisch mutiger zu sein. Allerdings komme es auch vor, dass Männer tadellos eingekleid­et stolz den Laden verlassen und am nächsten Tag wieder dastehen, weil es der Frau nicht gefallen hat. Das könnte Michael Vogler nicht passieren. Für ihn ist es wichtig, dass Kleidung gut aussieht und vor allem bequem ist. Nur eines hasst er: das Anprobiere­n. Ein Problem, das viele eint. Nicht umsonst hat sich Leonhard Schlegel so gefreut, dass er in kurzer Zeit gleich zwei Hosen ergattert hat.

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Foto: Brunello Cucinelli, dpa Sportlich bleibt in: Eine Hose im Jogging hören dazu. Stil und Sneaker ge
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Foto: Bugatti, dpa Der Rollkragen­pullover feiert ein Comeback: Gerade unter dem Sakko sieht er super aus, wie Bugatti beweist.
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Foto: Cinque, dpa Die gute Nachricht: Lässig ist nach wie vor im Trend – und sieht noch dazu gut aus.
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Foto: Antonio Calanni, dpa In Mailand konnte man sehen, wie Giorgio Armani den mode bewussten Mann sieht.
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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Haarig gestalten Designer auch die Schuhe: Ein Model des La bels Sportalm.
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Foto: PPS/ZUMA Wire/dpa Blumig wird der Herrenmant­el nach den Vorstellun­gen von Dolce and Gabbana.

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