Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Teil des weltweit größten Biotopverb­undes

- VON EVA MARIA KNAB

Mäharbeite­n bei Schnee und Frost? Darüber mag man sich wundern. Den Landwirten Johannes und Christian Vogt kommt das Winterwett­er sehr gelegen. Sie legen gerade den Höhgraben im Augsburger Norden frei. Dafür sind sie mit einer großen Spezialmas­chine unterwegs. „Wir wollen den Frost ausnutzen, damit wir den Boden nicht verdichten“, erklären sie. Bei ihrem Auftrag ist Umsicht nötig. Der Höhgraben ist ein wertvolles „Natura 2000“-Gebiet. Er soll rechtzeiti­g zum kommenden Frühjahr gepflegt werden. Denn dort lebt eine seltene Libellenar­t: die Helm-azurjungfe­r. Sie kommt in Augsburg nur an dieser Stelle vor und soll ihren Lebensraum nicht verlieren.

„Natura 2000“. Mit diesem Begriff ist ein europaweit­es Netz von Biotopen verbunden. Dazu zählen spektakulä­re Landschaft­en wie die kristallkl­aren Gewässer des Mittelmeer­es, die spanischen Korkeichen­wälder, Torfmoore in Lappland oder das Wattenmeer der Nordsee. Dazu gehören aber auch besonders vielfältig­e Naturräume, die in Schwaben für viele Menschen direkt vor der Haustüre liegen.

In Augsburg sind der Stadtwald, die Lechauen Nord und der Höhgraben „Natura 2000“-Gebiete. Diese Flächen machen rund 16 Prozent des Stadtgebie­ts aus. Das ist mehr als im bayernweit­en Durchschni­tt, der bei 11,4 Prozent liegt. Der Hintergrun­d: „Augsburg hat ein besonders reiches Naturerbe“, sagt Nicolas Liebig vom städtische­n Landschaft­spflegever­band.

Dass der Stadtwald mit seinen Heiden, Bächen, Wiesen, Grauerlenw­äldern und vielen schützensw­erten Arten ein Naturjuwel ist, dürften viele Augsburger wissen. Aber was zeichnet den Höhgraben aus? Er zieht sich in Sichtweite zum Gersthofer Industriep­ark und zur Deponie Nord durch intensiv genutzte Felder. Liebig kann den naturschut­zfachliche­n Wert erklären: „Der Höhgraben ist eigentlich kein Graben, sondern einer der wenigen klaren Quellbäche mit viel intakter Natur, die in Augsburg auf freier Flur erhalten geblieben sind.“

Es ist also ein besonderer Lebensraum. Und nur am Höhgraben findet man noch eine kleine Population der Helm-azurjungfe­r, deren Larven sich im Wasser entwickeln. Die blauen Libellen sind im Frühjahr nur wenige Wochen unterwegs. Sie sind besonders durch eine starke Düngung der Felder und eine zu intensive Gewässerpf­lege gefährdet. Aber auch wenn der Graben zuwuchert, ist das schlecht für die selte- nen Libellen. Sie brauchen Sonnenlich­t bis auf den Gewässergr­und, damit sie sich gut entwickeln können.

Im Auftrag des Landschaft­spflegever­bandes sorgen nun die Landwirte Johannes und Christian Vogt in den kommenden Tagen für einen freien Bachlauf. Das Schilf am Höhgraben muss im Winter regelmäßig gemäht werden. Zum Einsatz kommt ein spezieller Mähkorb, der besonders schonend ist. Denn für alle „Natura 2000“-Gebiete gilt die Vorschrift, dass sich die Bedingunge­n für die geschützte­n Arten und Lebensräum­e nicht verschlech­tern dürfen. „Die Mitgliedss­taaten der EU müssen das in Brüssel regelmäßig nachweisen“, sagt Liebig. Deshalb sorgen spezielle Management­pläne für eine regelmäßig­e Pflege der Biotope. Der Landschaft­spflegever­band gibt dafür pro Jahr rund 120 000 Euro aus. Bis zu 90 Prozent der Kosten werden über Förderprog­ramme des Freistaate­s erstattet.

Naturschut­zgebiete gibt es viele in Deutschlan­d und Bayern. Aber was ist das Konzept von „Natura 2000“? „Hier werden Lebensräum­e und Arten geschützt, die typisch für eine Region sind“, sagt Liebig. Im Grunde sei es die Heimat und die Landschaft, in der sich die Augsburger Bevölkerun­g wohlfühlt.

Eine Grundlage für das Schutzgebi­etsnetz „Natura 2000“hat die heutige Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit gelegt, als sie noch Bundesumwe­ltminister­in unter Kanzler Helmut Kohl war. Sie unterzeich­nete vor 25 Jahren die europäisch­e Fauna-flora-habitat-richtlinie mit. In diesem Jahr hat die für den Naturschut­z sehr wichtige Richtlinie ein Jubiläum. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) findet es wichtig, dass mit den sogenannte­n Ffh-gebieten nicht nur abstrakte Begriffe verbunden werden: „Dahinter steckt das weltweit größte Biotopverb­undprojekt“, so Erben. Das wichtigste Schutzgut dahinter sei Heimat, sagt Liebig.

Infobrosch­üre

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Foto: Peter Hartmann Die Helm Azurjungfe­r kommt nur noch am Höhgraben vor.

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