Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Licht und Schatten in der Gewinner-stadt Mein Augsburg
Die dynamische Entwicklung stützt die positiven Zukunftsprognosen. Doch was nützt eine attraktive Stadt, wenn diese sich viele Menschen nicht mehr leisten können?
Augsburg rechnet sich zu den Gewinner-regionen. Wirtschaftlich und demografisch spricht vieles für diese positive Einschätzung. Wahr ist aber auch: Bayerns drittgrößte Stadt leidet nach wie vor unter ihrer großen Finanzschwäche. Sie gehört zu jenen Kommunen, denen der Freistaat wegen ihrer mangelnden Finanzkraft regelmäßig mit hohen Millionenbeträgen unter die Arme greifen muss. Sieht so ein Gewinner aus?
Für Augsburg bleibt es weiterhin problematisch, zu den auffällig einkommensschwachen Orten zu zählen. Die Kaufkraft der Menschen ist unterdurchschnittlich, das Armutsrisiko überdurchschnittlich hoch. Als Oberzentrum und Schwabenmetropole hält die „arme“Stadt wiederum ein teures Angebot an öffentlichen Einrichtungen vor, an dem sich auch die Bürger des viel reicheren Umlands bedienen können – häufig ohne Beteiligung ihrer Kommunen an den Kosten: Spätfolgen der kommunalen Gebietsreform, die als Nebeneffekt arme und reiche Orte hinterlassen hat.
Gersthofen hat an seine Bürger wegen Reichtums schon einmal Bargeld verteilt. Augsburg muss dagegen einen Großteil seiner finanziellen Ressourcen für die soziale Sicherung seiner Bürger ausgeben. Im Augsburger Rathaus schauen die Politiker bei der demografischen Entwicklung neuerdings verstärkt darauf, eine attraktive Stadt für kaufkräftige Einwohner zu werden. Man möchte nicht das große soziale Auffangbecken für die Region sein.
Es ist eine politische Weichenstellung, die hohe Sensibilität erfordert. Je mehr Sozialwohnungen in der Stadt entstehen, desto mehr sozial schwache Menschen werden sich hier ansiedeln. Gleichzeitig geht auch für den Bau von Wohnungen für gut situierte Bürger so langsam der Grund und Boden aus. Augsburgs Nachbarn könnten sich beim sozialen Wohnungsbau bereich stimmt noch etwas mehr ins Zeug legen. Bislang gewinnt man den Eindruck, dies wird vor allem als Aufgabe der Großstadt gesehen. Andererseits darf Augsburg den einkommensschwachen Bürgern nicht das Gefühl geben, hier nicht mehr willkommen zu sein.
Dabei hat die Verdrängung bereits begonnen. Das Wohnen wird immer teurer, viele Augsburger können sich das Leben in der Stadt kaum mehr leisten. Die soziale Balance in der Stadtgesellschaft zu bewahren, ist eine der großen Aufgaben neben dem bereits erfolg- eingeschlagenen Weg, gut bezahlte Arbeitsplätze für beruflich hoch qualifizierte Neubürger zu schaffen.
Oberbürgermeister Kurt Gribl hat beim Neujahrsempfang der CSU das Ansehen betont, dass die Stadt gewonnen habe. Er kam auf die Spitzenförderungen für Schulen, für die Universitätsklinik und das Theater zu sprechen. Er nannte als Pluspunkte unter anderem den Innovationspark, den Tramausbau, die Entwicklung des Gaswerkgeländes, den Wohnungsbau. Auch die Förderung des Zoos fehlte in seiner Aufzählung nicht. An der Zukunft für Augsburg werde ganzheitlich gearbeitet, betonte das Stadtoberhaupt.
Der Oberbürgermeister wirkt mit solchen Aussagen glaubwürdig. Denn schon lange ging es in Augsburg erkennbar nicht mehr so gewaltig voran wie seit seinem Amtsantritt im Jahr 2008. Die Dynamik, wie er sie selbst in der Stadt wahrnimmt, ist Realität. Oder frei nach einem früheren bayerischen Minister gesagt: Augsburg liegt wieder am Lech und nicht mehr an der Jammer.
Die Ausstattung des Standorts mit Arbeitsplätzen, Wohnraum und vielfältigen Angeboten der Grundversorgung wie auch die Möglichkeiten für Bürger mit gehobenen Ansprüchen gehören zu den elementaren Voraussetzungen für eine gute Entwicklung. Doch auch der Bevölkerungsmix muss stimmen. Augsburg darf weder die Stadt der Armen sein, noch zur Stadt der Reichen werden. Es kommt auf die gute Mischung an.
Vor allem aber entscheidet über die künftige Lebensqualität in dieser Stadt die Frage, wie sich das gesellschaftliche Miteinander und das bürgerschaftliche Engagement entwickeln. Diese Faktoren waren bislang die Stärken der Stadt, die sie sich auch in Zeiten der starken Zuwanderung bewahrt hat. Das Zusammentreffen vielfältiger Kulturen läuft in Augsburg im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten erstaunlich konfliktfrei ab.
Dies ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein unschätzbarer Wert, über den die Bürger froh und auf den die Stadt sehr stolz sein sollte.