Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Altes neu geschätzt wird

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Vintage ist in. Gern darf es heute auch etwas Getragenes, etwas Gebrauchte­s sein. Man könnte sich vielleicht schon das Neue leisten. Doch den älteren Stücken haftet das Flair des Bewährten an. Worin sich bereits die Generation vor uns wohlgefühl­t hat, darauf ist Verlass. Sonst weiß man das in Zeiten des hektischen Wandels ja nicht mehr genau. Moden und Trends vergehen so rasch, wie sie gekommen sind.

Wenn wir dieser Tage hören, dass die Abende „Bayerisch Tanzen“, veranstalt­et von der Volksmusik­beratung des Bezirks Schwaben, in der Augsburger Gaststätte Rheingold voriges Jahr der Renner waren, sodass erneut drei aufgelegt werden, dann passt dies perfekt ins Bild. Je weltläufig­er uns die Globalisie­rung macht, desto mehr tut uns Verankerun­g in der Heimatregi­on gut. Und sei es eine hergebrach­te Schrittfol­ge auf dem Tanzboden, die einstudier­t wird. Übrigens: Zum Bayerisch Tanzen darf man auch allein kommen, die Gemeinscha­ft stellt sich von selber ein. Auch so etwas Altmodisch­es.

Mit der Tradition dürfen wir ja durchaus spielerisc­h umgehen. Auf Reinheit kommt es nicht an. Auch die alten Sachen waren ja immer Produkt von munterer Vermischun­g. Trachten haben sich seit jeher verändert. Und wenn heute die Trachten-werk-woche des Bezirks ebenfalls ein Renner ist, dann darf man davon ausgehen, dass selbstvers­tändlich die Nähmaschin­e eingesetzt wird und vielleicht auch ein verdeckter Reißoder Klettversc­hluss. Vintage heißt hier, mit den eigenen Händen Hergebrach­tes zu erschaffen.

Himmelweit sind solche Vintagefre­unde übrigens von denen entfernt, die eine konstruier­te Tradition glorifizie­ren. Sei es das christlich­e Abendland oder eine Nation, die man wieder stark machen müsse. Wurzeln ernähren einen Baum, der ins Licht strebt. Nicht einen, der im Boden stecken bleibt.

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