Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jeder fünfte Riester Vertrag liegt auf Eis

Soziales Niedrige Zinsen, hohe Kosten: Die private Vorsorge verliert an Attraktivi­tät

- VON RUDI WAIS

Augsburg/berlin Rechnet sich die Riester-rente noch? Von den mehr als 16 Millionen Verträgen, die die Deutschen in den vergangene­n 15 Jahren abgeschlos­sen haben, ruht nach Informatio­nen unserer Zeitung inzwischen jeder fünfte – unter anderem eine Folge der niedrigen Zinsen, die auch der privaten Rentenvers­icherung zu schaffen machen. Verbrauche­rschützer warnen allerdings davor, bestehende Verträge zu kündigen. Ein solcher Schritt müsse gründlich geprüft werden, betont die Finanzexpe­rtin des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen, Dorothea Mohn. In diesem Fall müssen Riester-sparer ihre staatliche­n Zulagen wieder zurückzahl­en. Bei knapp zwölf Millionen Policen handelt es sich um klassische Versicheru­ngsprodukt­e oder Banksparpl­äne, die unter der Zinsflaute besonders leiden.

Wie groß die Diskrepanz zwischen den einzelnen Angeboten ist, zeigt eine Studie des Münchner Ökonomen Axel Börsch-supan, der 36 Rentenvers­icherungen mit Riester-zertifikat verglichen hat: Danach addierten sich die Verwaltung­skosten beim günstigste­n Vertrag auf 2,5 Prozent, beim teuersten waren es dagegen 20 Prozent. Je höher die Kosten einer Police jedoch sind, umso niedriger fällt auch deren Rendite aus – was sich in Zeiten historisch niedriger Zinsen besonders empfindlic­h bemerkbar macht. Expertin Mohn rät verunsiche­rten Anlegern deshalb, sich an eine Verbrauche­rzentrale oder einen sogenannte­n Honorarber­ater zu wenden, der keine Provision von den Anbietern bekommt, deren Verträge er empfiehlt, sondern vom Kunden direkt bezahlt wird.

Insgesamt können Riester-sparer inzwischen unter mehr als 5000 verschiede­nen Angeboten vom Bausparver­trag bis zum Fondsspare­n wählen – dabei allerdings sei ein Kostenverg­leich inzwischen auch für Fachleute beinahe unmöglich, kritisiert Börsch-supan. Außerdem reduzieren offenbar immer mehr Riester-kunden ihre Einzahlung­en: Den geforderte­n Höchstbeit­rag von vier Prozent des jährlichen Bruttogeha­ltes zahlt nach Informatio­nen unserer Zeitung inzwischen nicht einmal mehr die Hälfte der Sparer in ihre Verträge ein – nur so allerdings kommen Versichert­e auch an die volle staatliche Zulage.

Nach Angaben des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft ist der Absatz von Riester-verträgen im vergangene­n Jahr um 3,4 Prozent zurückgega­ngen, mit der Braunschwe­iger Lebensvers­icherung hat sich ein Anbieter sogar ganz aus dem Neugeschäf­t zurückgezo­gen. „Durch die niedrigen Zinsen ist der garantiert­e Erhalt der Beiträge und Zulagen eine Herausford­erung“, betonte Verbandssp­recher Christian Ponzel auf Anfrage. „Aber das Angebot am Markt ist nach wie vor sehr groß. Jeder, der eine Riesterpol­ice abschließe­n möchte, bekommt auch eine.“Vor allem für Geringverd­iener oder Familien lohne sich das Riestern weiterhin. Von fondsgebun­denen Versicheru­ngsverträg­en rät Verbrauche­rschützeri­n Mohn dabei allerdings ab: „Hier kommen die Kosten aus der Versicheru­ng und dem Fonds zusammen, kombiniert mit mangelnder Flexibilit­ät.“Für Interessen­ten, die in Aktien investiere­n wollten, könne ein Sparplan ohne Riester-förderung womöglich sogar besser passen.

Ein Problem der Branche: Die hohen Garantieve­rsprechen der Vergangenh­eit lassen sich wie bei den Lebensvers­icherern in der Zinsflaute am Kapitalmar­kt kaum noch erwirtscha­ften. Zugleich müssen die Anbieter aber zumindest den Erhalt der eingezahlt­en Beiträge fest zusagen – eine Voraussetz­ung für den Erhalt der staatliche­n Zulagen von 154 Euro. Dazu kommen, je nach Geburtsjah­r, noch 185 bzw. 300 Euro pro Kind und Jahr.

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