Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie Goliath Trump den David Mexiko einmauert Leitartikel
Der neue Us-präsident erfüllt sein Wahlversprechen. Doch ihm fehlt die Klugheit, auf Partner Rücksicht zu nehmen. Damit knüpft er an schlechte Zeiten an
Weder neu noch originell ist die Idee, mit der Donald Trump die Migrationsprobleme seines Landes lösen will: Mauern sind schon zu allen Zeiten zur Abschottung eines Reiches oder einer Nation errichtet worden. Aber Ein- oder Auswanderung haben sie höchstens zeitweise verhindern können. Selbst die Berliner Mauer, die so unüberwindlich schien, war nach 28 Jahren, zwei Monaten und 27 Tagen am Ende.
Auch neue Sperranlagen zwischen den USA und Mexiko werden nur begrenzt haltbar sein. Aber Trump kümmert das nicht: Ihm ist nur wichtig, dass er sein Wahlversprechen erfüllt. Wenn ein Politiker seine Ankündigungen wahr macht, dann ist ihm das prinzipiell zugutezuhalten. Aber wenn ein Wahlkämpfer übers Ziel hinausgeschossen ist, und wenn er überdies an dumpfe Ressentiments appelliert hat, dann fehlt es ihm zumindest an Weisheit, wenn er später als Präsident seine populistischen Parolen ohne jede Korrektur umsetzt.
Gegen die Mauer sprechen ein praktisches und ein politisches Argument: Sie wird die Immigration nicht stoppen. Und die guten Beziehungen zwischen zwei Nationen werden ruiniert. Die Mexikaner, die stolz sind, dass ihr Land zu 88 Prozent auf dem nordamerikanischen Teilkontinent liegt, müssen sich beleidigt fühlen als das Volk, das hinter einem hässlichen Betonbauwerk weggesperrt wird. Das hätte ein verantwortungsvoller Uspräsident berücksichtigen müssen.
Doch Sensibilität ist Trumps Stärke nicht. Im Wahlkampf behauptete er, aus Mexiko kämen Drogenhändler und Vergewaltiger in die USA. Zur Unterzeichnung des Mauer-erlasses lud er jetzt Bürger ein, deren Angehörige Opfer von Illegalen aus Mexiko wurden. Solche Fälle gibt es also. Aber die Mehrheit der Immigranten sind, wie man in Europa sagen würde, Wirtschaftsflüchtlinge, die der Armut entkommen wollen.
Das große Gefälle zwischen den reichen USA und dem nur mäßig entwickelten Schwellenland Mexiko wirkt wie ein Motor, der die Migration antreibt. Je tiefer die wirtschaftliche Kluft ist, desto stärker ist der Sog, den die Vereinigten Staaten ausüben. Trump, der einerseits die Mauer baut, ist andererseits dabei, diese Kluft zu vertiefen und die Zuwanderung in die USA zu verstärken. Denn wenn für Autos und andere Produkte, die in Mexiko für den Us-markt gefertigt werden, hohe Strafzölle verlangt werden, würgt Trump den Aufwärtstrend im Nachbarland ab.
Gewiss hat sich Mexiko in jüngster Zeit ein Stück weit auf Kosten der USA fortentwickelt. Aber immer noch trennen beide Länder Welten: Auf jeden Us-bürger entfällt eine viermal höhere Wirtschaftsleistung als auf einen Mexikaner. Trump aber tut, von allen Fakten unberührt, so, als würde der Riese Goliath USA vom David Mexiko ausgesaugt.
Mit seinem Projekt der Mauer entlang der gesamten Grenze zwischen der Mündung des Río Bravo in den Atlantik und San Diego am Pazifik führt Trump die USA wieder zurück in die Zeit des Imperialismus, als das restliche Amerika für Washington nur ein „Hinterhof“war, in dem man tun und lassen konnte, was man wollte. Glücklicherweise hatte sich zuletzt das Verhältnis der drei nordamerikanischen Staaten Kanada, USA und Mexiko zu einer Partnerschaft entwickelt, die ihren Ausdruck in der Freihandelszone Nafta fand. Das alles steht jetzt allerdings auf dem Spiel.
Dass Mexiko auch noch für das Schandmal einer Mauer bezahlen soll, ist der Gipfel der Trump’schen Infamie. Vielleicht kann er es für sich selbst irgendwie schönrechnen. Die stolzen Mexikaner aber werden ihm kein Geld überweisen.
Je tiefer die Kluft ist, desto stärker wirkt der Sog