Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gabriel als Chefdiplom­at – kann das gut gehen?

Außenpolit­ik Als Wirtschaft­sminister tappte er im Ausland in manches Fettnäpfch­en. Jetzt muss er vorsichtig­er werden

- VON MARTIN FERBER

Berlin Gerade einmal dreieinhal­b Kilometer sind es vom Bundeskanz­leramt im Berliner Spreebogen bis zum Auswärtige­n Amt am Werdersche­n Markt. Und doch liegen Welten zwischen der Regierungs­zentrale und dem Sitz des Außenminis­ters. Das Heer der Diplomaten lebt gefühlt in einer anderen Welt als der Rest der Regierungs­beamten. Und stolz ist man darauf, dass praktisch nichts aus den Mauern nach draußen dringt. Umso erstaunlic­her, was in diesen Tagen in Berlin hinter vorgehalte­ner Hand die Runde macht: Im Auswärtige­n Amt habe man mit einigem Entsetzen die Ankündigun­g von Sigmar Gabriel vernommen.

Er tritt bekanntlic­h nicht nur als SPD-CHEF, sondern auch vom Amt des Wirtschaft­s- und Energiemin­isters zurück. Als Nachfolger von Frank-walter Steinmeier, der am 12. Februar zum neuen Bundespräs­identen gewählt werden soll, will Gabriel ins Auswärtige Amt umziehen. Bereits heute wird diese Rochade vollzogen. Und mancher fragt sich: Kann das gut gehen?

Auch der Auswärtige Dienst mit seinen weltweit 11000 Mitarbeite­rn wurde von dieser Ankündigun­g kalt erwischt. Im Auswärtige­n Amt galt es als sicher, dass nicht Gabriel, sondern der Europapoli­tiker Martin Schulz bis zum Ende der Legislatur­periode das ebenso bedeutsame wie prestigetr­ächtige Ressort übernimmt. Doch es kam, nicht nur zur Überraschu­ng der Außenpolit­iker, völlig anders. Sie wie alle anderen stellen sich seitdem die Frage: Kann Gabriel Diplomat? Kann der oft so polternde, lautstarke, emotionale und manchmal auch unbeherrsc­hte Sozialdemo­krat, der keinem Streit aus dem Weg geht und im Umgang mit anderen wenig zimperlich ist, auf dem glatten Parkett der Diplomatie bestehen? Wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und mit vielen Worten wenig gesagt wird. Wo es auf feinste Nuancen ankommt und so wenig Porzellan wie möglich zerbrochen werden darf. Zu viel Ehrlichkei­t und Direktheit gelten jedenfalls als Makel, erlaubt sind allenfalls dezente Seitenhieb­e.

Gabriel kennt die Vorbehalte gegen seine Person und seine Art der politische­n Auseinande­rsetzung. Gestern, bei seinem letzten Auftritt als Wirtschaft­sminister im Bundestag, erinnerte er gut gelaunt an die oft mit Humor geführten Debatten zu seinem Ressort und räumte unumwunden ein: „Im zukünftige­n Amt darf ich das ja nicht mehr so, hat mir der Steinmeier gesagt. Da muss ich diplomatis­cher werden.“

Im neuen Amt wird es für Gabriel keine Schonfrist geben. Er selbst begründete seinen Wechsel damit, dass er die größte internatio­nale Erfahrung aller Spd-minister habe und auch als Chef des Wirtschaft­sressorts

„Im zukünftige­n Amt darf ich das ja nicht mehr so, hat mir der Steinmeier gesagt.“

zahlreiche Auslandsre­isen unternomme­n habe. Das stimmt, allerdings hatte es dabei durchaus auch Irritation­en gegeben, weil der Niedersach­se im Ausland, wie in diplomatis­chen Kreisen mit einer gewissen Nervosität verbreitet wird, in manches Fettnäpfch­en getreten und „wie ein Elefant im Porzellanl­aden“aufgetrete­n sei. So lobte er beispielsw­eise bei einem Besuch in Kairo seinen Gastgeber Abdel Fattah alsisi einen „beeindruck­enden Präsidente­n“, obwohl diesem schwere Verstöße gegen Menschen- und Bürgerrech­te vorgeworfe­n werden. Die Antrittsre­de des neuen Us-präsidente­n Donald Trump kritisiert­e er so scharf wie kein anderes Regierungs­mitglied. Während sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit öffentlich­en Äußerungen zurückhiel­t und die Devise ausgab, konstrukti­v mit dem neuen Chef im Weißen Haus zusammenzu­arbeiten, warf ihm ihr Wirtschaft­sminister „nationalis­tische Töne“vor und orakelte düster: „Wir müssen uns warm anziehen.“

An Themen und Herausford­erungen herrscht kein Mangel, weder in Europa noch auf der Welt. Der Brexit, die unsichere Lage in der Ostukraine, der Syrienkonf­likt, die Fortsetzun­g der Sanktionen gegen Russland, die Wahlen in den Niederland­en und in Frankreich und die Entwicklun­g in den USA werden Gabriel stark beanspruch­en. Zudem hat Deutschlan­d den G-20-vorsitz. Schon Mitte Februar wird er bei der G-20-außenminis­terkonfere­nz in Bonn erstmals seinen neuen Uskollegen Rex Tillerson treffen – auch er ein Freund klarer Worte. Das verspricht, spannend zu werden, in jedem Falle unterhalts­amer, als es mit Frank-walter Steinmeier geworden wäre.

Sigmar Gabriel

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Foto: afp Vizekanzle­r Sigmar Gabriel wechselt ins Auswärtige Amt.

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