Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Österreich hat einen Neuen

Vereidigun­g Nach einem langen Wahlkampf ist Alexander Van der Bellen Bundespräs­ident. Wie er das Land wieder vereinen will

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien „Ich bin’s, euer Präsident“, begrüßte Alexander Van der Bellen, die Schaulusti­gen, die gekommen waren, um ihn nach der Vereidigun­g im Parlament auf dem kurzen Spaziergan­g durch den Volksgarte­n in die Hofburg zu begleiten. Die Tiroler Schützen hatten die Gewehre mitgebrach­t und schossen Salut. Auch die Musik und der Schnaps kamen aus dem Land, das den neuen österreich­ischen Bundespräs­identen als Flüchtling­skind aufgenomme­n hatte. Die Gulaschkan­one steuerte das Bundesheer bei, dessen Befehlshab­er Van der Bellen jetzt ist.

Seine Rede vor der Bundesvers­ammlung aus Parlament und Bundesrat war persönlich­er und freundlich­er als bei Vereidigun­gen allgemein üblich. „Dieses Gerede von der Spaltung halte ich für maßlos übertriebe­n“, sagte er auch an die Adresse derer gerichtet, die ihn nicht gewählt haben. Er werde versuchen, sie in seine Politik miteinzubi­nden. Dass dies nicht ganz leicht werden dürfte, zeigte sich allerdings schon daran, dass sich seitens der rechtspopu­listischen FPÖ kaum eine Hand zum Applaus rührte.

Sein Amtsverstä­ndnis sei „auf gut Österreich­isch eh klar“. Er werde überpartei­lich sein und Österreich nach außen würdig vertreten. Dazu gehöre auch die Neutralitä­t des Landes. „Diese außenpolit­ische Tradition in Europa und der ganzen Welt sollten wir beibehalte­n“, meinte er und spielte damit auch auf das spezielle Verhältnis Österreich­s zu Russland an. Er kündigte an, sich ebenso wie sein Vorgänger Heinz Fischer durch Reisen mit Wirtschaft­sdelegatio­nen für Österreich­s Industrie einzusetze­n. Dabei fällt das Russlandge­schäft für den Wirtschaft­sprofessor besonders ins Gewicht. Sein Vater war als Geschäftsm­ann dort und in Estland aktiv.

Im Weltmaßsta­b sei Österreich, so Van der Bellen, ein „sehr kleiner Staat“, in dessen Interesse es nicht sein könne, „in Richtung Nationalis­mus und Kleinstaat­erei zu kippen“. Der Friedenspr­ozess in Europa müsse erhalten bleiben. Die Wiener Koalition rief er dazu auf, politische Ergebnisse zu liefern. Politik sei auch ein Handwerk, Ideen reichten nicht aus. „Die Bürger warten schon auf die notwendige­n Entscheidu­ngen und Ergebnisse, die ihr Leben verbessern,“mahnte er.

Am Nachmittag fand sich übrigens die Regierung in der Hofburg ein, um ihren Rücktritt anzubieten, wie es die Verfassung vorschreib­t. Gestern war das allerdings nur eine Formalität: Der Präsident lehnte traditions­gemäß ab und forderte „konstrukti­ve Gespräche“.

In Zukunft wird Van der Bellen wohl noch oft Grund haben, zwischen den Koalitions­partnern zu vermitteln. Am ersten Tag wandte er sich jedoch an die Jungen: „Wir Älteren brauchen euch“, sagte er. Er setze auf Mut, Leidenscha­ft, Ideen, Respekt, Talente, Fleiß und die Zuversicht der Jugend.

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Foto: afp Alexander Van der Bellen bei der Zere monie in Wien.

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