Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn das Kinderzimm­er gehackt wird

Technik Für die Kleinen gibt es immer mehr mit dem Internet verbundene­s Hightech-spielzeug. Doch das birgt auch Risiken

- Fotos: Daniel Karmann, dpa/mattel

Berlin Die Warnung kam pünktlich zum Weihnachts­geschäft, das für die Spielzeug-branche lebenswich­tig ist: Verbrauche­rschützer mahnten Eltern vor Hacker-angriffen auf vernetzte Puppen. Einige Modelle seien anfällig für technisch einfache Hacks, durch die sich Fremde plötzlich mit den Kindern unterhalte­n könnten, erklärte die europäisch­e Organisati­on Beuc. Und der Chef des deutschen Verbrauche­rzentrale Bundesverb­andes, Klaus Müller, griff zu scharfen Worten. Jedem müsse bewusst sein: „Er kann sich damit einen kleinen Spion ins Kinderoder Wohnzimmer holen.“

Vor der diesjährig­en Spielwaren­messe in Nürnberg, die am 1. Februar beginnt, wird wieder klar: Die Branche ist zwischen Vergangenh­eit und Zukunft hin- und hergerisse­n. Schon kleine Kinder verbringen viel Zeit mit Apps auf dem Smartphone oder Tablet und entspreche­nd groß ist das Interesse an Hightech-spielzeug statt einfacher Autos oder Puppen. Zudem ist es weder technisch komplex noch teuer, ein paar Chips in die Spielsache­n zu stecken.

Und wäre es nicht toll, wenn eine Puppe statt der üblichen paar Sätze aus der Tonkonserv­e sich richtig mit den Kindern unterhalte­n könnte? Doch das Kinderzimm­er ist auch ein emotionsge­ladenes Terrain, weil es um die Überwachun­gsängste der Eltern geht.

Und die Branche machte bei ihren ersten Schritten in die Ära vernetzter Spielsache­n nicht immer eine gute Figur. Durch Hacks bei einem Anbieter von Lernspielz­eug wurden mehrere Millionen Datensätze entwendet. Und als 2015 die „Hello Barbie“von Mattel auf den Markt kam – die vernetzte Version der klassische­n Modepuppe mit Mikrofon und Internet-anbindung –, entdeckten Experten schnell Schwachste­llen. Um sie auszunutze­n, hätte es zwar technisch eher gewiefter An- greifer bedurft – aber es war machbar, wie auch die Entwickler einräumten.

Damit sich die Puppe mit den Kindern unterhalte­n kann, wird das, was sie sagen, zur Spracherke­nnung an Server der Firma im Netz geschickt. Dank dieser Auswertung kann das Spielzeug mit passenden Sätzen antworten.

Die Daten-kommunikat­ion der Netz-barbie war zwar verschlüss­elt – aber auch anfällig für eine schon länger bekannte Sicherheit­slücke, mit der auf eine schwächere und dadurch knackbare Verschlüss­elung umgeschalt­et werden konnte. Zudem verband sich die App bei der ersten Einrichtun­g der Puppensoft­ware mit jedem ungesicher­ten Wifi-netzwerk, das das Wort „Barbie“im Namen hatte.

Die Sicherheit­slücken waren umso frappieren­der, da Mattel und der Software-entwickler Toytalk schon Monate zuvor unter Druck standen, die höchstmögl­iche Datensiche­rheit zu garantiere­n. Denn in den USA hatte sich Widerstand besorgter Eltern formiert, die unter anderem in Online-petitionen forderten, das Spielzeug zu stoppen, weil die Privatsphä­re nicht ausreichen­d geschützt gewesen sei.

Toytalk reagierte schnell und in der jüngsten europäisch­en Untersuchu­ng machte „Hello Barbie“im Vergleich zu zwei Konkurrent­innen technisch eine eher gute Figur. Ethisch gesehen sei es aber eher fraglich, ob zum Beispiel die Möglichkei­t für die Eltern, Sätze ihrer Kinder auf Facebook zu teilen, dem Recht auf Privatsphä­re entspräche­n, kritisiert­en die Verbrauche­rschützer.

Bei allen Bedenken stellte Mattel die Weichen inzwischen klar in Richtung digitale Zukunft. Zur Konzern-chefin wurde vor wenigen Tagen eine Google-managerin ernannt, Margaret Georgiadis, die zuletzt das Geschäft des Internet-riesen in den USA führte. Die Hoffnung sei, dass Georgiadis Ordnung und Tempo in Mattels Technologi­eoffensive bringe, sagte ihr scheidende­r Vorgänger Chris Sinclair, 66. Wie groß die Hoffnungen sind, die Mattel in die Erneuerung setzt, zeigt auch das großzügige Vergütungs­paket der 53-Jährigen, der neben einem Jahresgeha­lt von 1,5 Millionen Dollar Aktien im Wert von mehr als 30 Millionen Dollar winken.

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Unser linkes Bild zeigt den „Revell Control X treme Raver VR Racer“. Den Spielspaß mit dem ferngesteu­erten Auto soll eine Da tenbrille noch einmal erhöhen. Und die moderne Barbie ist natürlich mit dem Internet verbunden.
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