Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kalte Dusche für Kartelle

Preisabspr­achen Führende Hersteller von Badezimmer-ausstattun­g müssen kräftige Bußgelder zahlen. Die Wettbewerb­shüter haben auch bittere Nachrichte­n für eine andere Branche

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Luxemburg Deutsche Hersteller von Badezimmer-ausstattun­g müssen wegen der Beteiligun­g an einem Kartell Bußgelder in dreistelli­ger Millionenh­öhe zahlen. Gut sechs Jahre nach einem Beschluss der Eukommissi­on hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EUGH) gestern in letzter Instanz die Klagen mehrerer Unternehme­n zurückgewi­esen. Verbrauche­r in Europa haben jahrelang zu viel bezahlt. Und auch ein Süßwarenka­rtell beschäftig­t die Justiz.

Was hat der EUGH entschiede­n?

Wasserhähn­e, Toiletten, Waschbecke­n – 17 Hersteller von Badezimmer-ausstattun­g haben in den Jahren von 1992 bis 2004 ihre Verkaufspr­eise abgesproch­en und künstlich hochgehalt­en. Das Kartell hatte die Eu-kommission im Sommer 2010 hochgehen lassen. Der EUGH wies nun die Klagen mehrerer an dem Kartell beteiligte­r Firmen zurück und bestätigte Strafen von rund 145 Millionen Euro.

Wer war beteiligt?

Auch die deutschen Firmen Villeroy & Boch, Dornbracht, Duravit, Hansgrohe und Hansa haben verbotene Preisabspr­achen getroffen.

Wie flogen die Mauschelei­en auf?

„Das Kartell kann als wohlorgani­siertes Kartell gelten“, sagte der damalige Eu-wettbewerb­skommissar Joaquín Almunia 2010. Firmenvert­reter sollen sich mehr als 250 Mal getroffen haben. Dabei seien Preiserhöh­ungen, Mindestpre­ise sowie Rabatte festgesetz­t worden.

Was unternahm die Kommission?

„Dieses Kartell hat den Bau- und Handwerksf­irmen ebenso wie vielen Verbrauche­rn geschadet“, sagte Almunia damals – und empfahl den Geschädigt­en, die Firmen zu verklagen. Die Kommission selbst verhängte Geldbußen über 622 Millio- nen Euro. Aufgefloge­n war das Kartell wohl aufgrund von Hinweisen der Us-firma Masco. Diese habe „als erstes Unternehme­n Informatio­nen über das Kartell vorgelegt“, teilte die Kommission 2010 mit – und erließ den Amerikaner­n die komplette Strafe. Von den Deutschen muss Villeroy & Boch – auch nach dem Eugh-urteil – mit 71,5 Millionen Euro am meisten zahlen.

Wie setzt sich die Höhe der verhängten Geldbußen zusammen?

Die EU sieht je nach Schwere des Kartells Strafen von bis zu zehn Pro- zent des Jahresumsa­tzes vor. In diesem Fall blieben die Beträge deutlich darunter. Grund dafür war die Wirtschaft­skrise in den Jahren, als das Kartell bestand. Dem deutschen Anbieter Grohe wurde wie der Usfirma Ideal Standard die Strafe um ein Drittel erlassen, weil beide mit der Kommission kooperiert hatten. Grohe musste knapp 55 Millionen Euro zahlen, Ideal Standard mit 326 Millionen Euro die höchste Strafe.

Warum wurde aufgerollt? der Fall nochmals

Viele Firmen bestritten die Existenz des Kartells – und legten Widerspruc­h gegen die Entscheidu­ng der EU ein. Eine Sprecherin von Villeroy & Boch sagte, die Preisabspr­achen habe es nie gegeben. Das Eugericht bestätigte 2013 jedoch einen Großteil der Geldbußen. Deshalb wandten sich die mutmaßlich­en Kartellsün­der an die höhere Instanz, den Europäisch­en Gerichtsho­f.

Auch das Süßwarenka­rtell beschäftig­te gestern die Justiz. Worum geht es?

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