Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Loblied auf den Denunziant­en W

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

arum haben es Menschen, die gern über andere abfällig reden, ja sie lachend hinhängen, nur so schwer? Der Denunziant kommt als hinterfotz­ige Plaudertas­che nicht gut weg. Dabei weiß er doch anderen so viel Interessan­tes über andere zu stecken. Der Denunziant ist ein Meister darin, Menschen mit Worten in den Rücken zu fallen.

Dennoch hält sich hartnäckig der Satz: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant!“Ob das Zitat von Hoffmann von Fallersleb­en oder Max Kegel stammt, es sollte aus Sicht der Kartellwäc­hter umgeschrie­ben werden: „Der größte Held im ganzen Land, ist und bleibt der Denunziant!“Denn der zu lange fälschlich als heimtückis­ch geltende Typus des Verräters spielt eine segensreic­he Rolle, wenn es darum geht, ein zulasten der Verbrauche­r Preise absprechen­des Kartell aufzuheben. Neudeutsch Whistleblo­wer – bayerisch eher Wischelblo­wer – genannte fröhliche Verräter sind unverzicht­bar, um als Mitglieder eines Kartells die Kungelrund­e zu enttarnen. Für das moralische Aufraufen, ja Aufsteigen zum wertvollen Kronzeugen bekommen die Exlumpen einen Strafnachl­ass, manchmal müssen sie gar nicht für ihr übles Tun finanziell büßen.

Rein wirtschaft­lich betrachtet (natürlich nicht moralisch) verhält sich gerissen, wer bei einem Kartell mitmischt, daraus lange geldwerten Vorteil zieht und aufhört, wenn es am schönsten ist. Dann wartet der Lohn des Straf-rabatts.

Nur komisch, dass keiner mehr etwas mit Verrätern zu tun haben will. Am Ende muss es dann doch heißen: „Der einsamste Lump im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant!“Vielleicht sollten sich die armen Hunde zu einem Denunziant­en–kartell zusammensc­hließen. Das gibt einen höllischen Spaß: Lauter Verräter suchen sozusagen den Super-judas. Das hätte Tvqualität. Dieter Bohlen würde sich als Chef der Jury bestens machen. Das Bundeskart­ellamt hat gegen Süßwarenhe­rsteller Bußgelder in Millionenh­öhe verhängt. Doch einige Unternehme­n wollen das nicht hinnehmen. So war das Oberlandes­gericht Düsseldorf mit dem Fall beschäftig­t. Gestern stärkte es dem Bundeskart­ellamt den Rücken und bestätigte nicht nur die von der Wettbewerb­sbehörde gegen Süßwarenhe­rsteller wegen eines kartellrec­htswidrige­n Informatio­nsaustausc­hes verhängten Bußgelder, sondern erhöhte sie sogar um sieben auf rund 21 Millionen Euro. Süßwaren kosten oft wenig, doch es lässt sich viel damit verdienen. Noch mehr, wenn es gelingt, den harten Preiswettb­ewerb im Lebensmitt­elhandel aufzuweich­en. Genau dies haben nach Einschätzu­ng des Bundeskart­ellamts führende Süßwarenhe­rsteller vor einigen Jahren getan.

Worum ging es in dem Prozess?

Das Bundeskart­ellamt belegte 2013 Mitglieder eines Arbeitskre­ises der „Konditione­nvereinigu­ng“der Deutschen Süßwarenin­dustrie mit Bußgeldern in Millionenh­öhe. Dagegen wehrt sich ein Teil der Unternehme­n. Einige Firmen – darunter Haribo, Katjes, Kraft, Storck und Zentis – akzeptiert­en die Bußgeldbes­cheide der Behörde. Andere wie Bahlsen, Griesson-de Beukelaer und Feodora waren nicht bereit zu zahlen.

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