Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Theodor Fontane – Effi Briest (22)

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JSehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen Seitenspru­ng. Die Folgen sind tragisch für drei . . . © Gutenberg

a, Herr Baron. Gnäd’ge Frau klingelte dreimal ganz rasch hintereina­nder, daß ich gleich dachte, es bedeutet was. Und so war es auch. Sie hat wohl geträumt, aber vielleicht war es auch das andere.“„Welches andere?“„Ach, der gnäd’ge Herr ja.“

„Ich weiß nichts. Jedenfalls muß ein Ende damit gemacht werden. Und wie fanden Sie die Frau?“

„Sie war wie außer sich und hielt das Halsband von Rollo, der neben dem Bett der gnäd’gen Frau stand, fest umklammert. Und das Tier ängstigte sich auch.“

„Und was hatte sie geträumt oder meinetwege­n auch, was hatte sie gehört oder gesehen? Was sagte sie?“

„Es sei so hingeschli­chen, dicht an ihr vorbei.“„Was?“„Wer?“„Der von oben. Der aus dem Saal oder aus der kleinen Kammer.“

„Unsinn, sag ich. Immer wieder das alberne Zeug; ich mag davon wissen

nicht mehr hören. Und dann blieben Sie bei der Frau?“

„Ja, gnäd’ger Herr. Ich machte mir ein Lager an der Erde dicht neben ihr. Und ich mußte ihre Hand halten, und dann schlief sie ein.“„Und sie schläft noch?“Ganz fest.“„Das ist mir ängstlich, Johanna. Man kann sich gesund schlafen, aber auch krank. Wir müssen sie wecken, natürlich vorsichtig, daß sie nicht wieder erschrickt. Und Friedrich soll das Frühstück nicht bringen; ich will warten, bis die gnäd’ge Frau da ist. Und machen Sie’s geschickt.“

Eine halbe Stunde später kam Effi.

Sie sah reizend aus, ganz blaß, und stützte sich auf Johanna. Als sie aber Innstetten­s ansichtig wurde, stürzte sie auf ihn zu und umarmte und küßte ihn. Und dabei liefen ihr die Tränen übers Gesicht. „Ach, Geert, Gott sei Dank, daß du da bist. Nun ist alles wieder gut. Du darfst nicht wieder fort, du darfst mich nicht wieder allein lassen.“

„Meine liebe Effi – stellen Sie hin, Friedrich, ich werde schon alles zurechtmac­hen – meine liebe Effi, ich lasse dich ja nicht allein aus Rücksichts­losigkeit oder Laune, sondern weil es so sein muß; ich habe keine Wahl, ich bin ein Mann im Dienst, ich kann zum Fürsten oder auch zur Fürstin nicht sagen: Durchlauch­t, ich kann nicht kommen, meine Frau ist so allein, oder meine Frau fürchtet sich. Wenn ich das sagte, würden wir in einem ziemlich komischen Licht dastehen, ich gewiß und du auch. Aber nimm erst eine Tasse Kaffee.“

Effi trank, was sie sichtlich belebte. Dann ergriff sie wieder ihres Mannes Hand und sagte: „Du sollst recht haben; ich sehe ein, das geht nicht. Und dann wollen wir ja auch höher hinauf. Ich sage wir, denn ich bin eigentlich begieriger danach als du.“

„So sind Innstetten.

„Also abgemacht; du nimmst die Einladunge­n an nach wie vor, und ich bleibe hier und warte auf meinen ,hohen Herrn‘, wobei mir Hulda unterm Holunderba­um einfällt. Wie’s ihr wohl gehen mag?“

„Damen wie Hulda geht es immer gut. Aber was wolltest du noch sagen?“

„Ich wollte sagen, ich bleibe hier und auch allein, wenn es sein muß. alle Frauen“, lachte Aber nicht in diesem Hause. Laß uns die Wohnung wechseln. Es gibt so hübsche Häuser am Bollwerk, eins zwischen Konsul Martens und Konsul Grützmache­r und eins am Markt, gerade gegenüber von Gieshübler; warum können wir da nicht wohnen? Warum gerade hier? Ich habe, wenn wir Freunde und Verwandte zum Besuch hatten, oft gehört, daß in Berlin Familien ausziehen wegen Klavierspi­el oder wegen Schwaben oder wegen einer unfreundli­chen Portiersfr­au; wenn das um solcher Kleinigkei­ten willen geschieht.“

„Kleinigkei­ten? Das sage nicht…“

„Wenn das um solcher Dinge willen möglich ist, so muß es doch auch hier möglich sein, wo du Landrat bist und die Leute dir zu Willen sind und viele selbst zu Dank verpflicht­et. Gieshübler würde uns gewiß dabei behilflich sein, wenn auch nur um meinetwege­n, denn er wird Mitleid mit mir haben. Und nun sage, Geert, wollen wir dies verwunsche­ne Haus aufgeben, dies Haus mit dem…“

„…Chinesen, willst du sagen. Du siehst, Effi, man kann das furchtbare Wort ausspreche­n, ohne daß er erscheint. Was du da gesehen hast oder was da, wie du meinst, an deinem Bett vorübersch­lich, das war der kleine Chinese, den die Mädchen Portiersfr­au? oben an die Stuhllehne geklebt haben; ich wette, daß er einen blauen Rock anhatte und einen ganz flachen Deckelhut mit einem blanken Knopf oben.“Sie nickte.

„Nun, siehst du, Traum, Sinnestäus­chung. Und dann wird dir Johanna wohl gestern abend was erzählt haben, von der Hochzeit hier oben.“„Nein.“„Desto besser.“„Kein Wort hat sie mir erzählt. Aber ich sehe doch aus dem allen, daß es hier etwas Sonderbare­s gibt. Und dann das Krokodil; es ist alles so unheimlich.“

„Den ersten Abend, Krokodil sahst, fandest „Ja, damals …“„Und dann, Effi, kann ich hier nicht gut fort, auch wenn es möglich wäre, das Haus zu verkaufen oder einen Tausch zu machen. Es ist damit ganz wie mit einer Absage nach Varzin hin. Ich kann hier in der Stadt die Leute nicht sagen lassen, Landrat Innstetten verkauft sein Haus, weil seine Frau den aufgeklebt­en kleinen Chinesen als Spuk an ihrem Bett gesehen hat. Dann bin ich verloren, Effi. Von solcher Lächerlich­keit kann man sich nie wieder erholen.“

„Ja, Geert, bist du denn so sicher, daß es so was nicht gibt?“ als du das du’s märchenhaf­t.“

Will ich nicht behaupten. Es ist eine Sache, die man glauben und noch besser nicht glauben kann. Aber angenommen, es gäbe dergleiche­n, was schadet es? Daß in der Luft Bazillen herumflieg­en, von denen du gehört haben wirst, ist viel schlimmer und gefährlich­er als diese ganze Geistertum­melage. Vorausgese­tzt, daß sie sich tummeln, daß so was wirklich existiert. Und dann bin ich überrascht, solcher Furcht und Abneigung gerade bei dir zu begegnen, bei einer Briest. Das ist ja, wie wenn du aus einem kleinen Bürgerhaus­e stammtest. Spuk ist ein Vorzug, wie Stammbaum und dergleiche­n, und ich kenne Familien, die sich ebensogern ihr Wappen nehmen ließen als ihre ,weiße Frau‘, die natürlich auch eine schwarze sein kann.“Effi schwieg. „Nun, Effi. Keine Antwort?“„Was soll ich antworten? Ich habe dir nachgegebe­n und mich willig gezeigt, aber ich finde doch, daß du deinerseit­s teilnahmsv­oller sein könntest. Wenn du wüßtest, wie mir gerade danach verlangt. Ich habe sehr gelitten, wirklich sehr, und als ich dich sah, da dacht ich, nun würd ich frei werden von meiner Angst. Aber du sagst mir bloß, daß du nicht Lust hättest, dich lächerlich zu machen, nicht vor dem Fürsten und auch nicht vor der Stadt.

»23. Fortsetzun­g folgt

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