Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rocker machten Kokaingeschäfte auf dem Parkplatz
Justiz Großes Polizeiaufgebot sichert Prozess gegen zwei Männer in Kempten. Wie die Deals an der Autobahn liefen
Kempten Unter großen Sicherheitsvorkehrungen hat vor dem Landgericht Kempten der Prozess gegen zwei Männer begonnen, denen vorgeworfen wird, im größeren Stil Kokaingeschäfte auf einem Pendlerparkplatz an der südlichen Memminger A7-auffahrt getätigt zu haben. Beide Männer stammen aus dem Rocker-milieu, sind bereits geständig und müssen mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen. Zahlreiche Polizisten sicherten das Landgericht. Aber zur Verhandlung am Donnerstag kamen kaum Zuschauer, die Rockerkreisen zuzurechnen sind. Der Prozess wird im Februar fortgesetzt.
Für besonderes Aufsehen hatte die Verhaftung der beiden Männer im April 2015 gesorgt. Einer der beiden, ein heute 41-jähriger Oberallgäuer, ist Mitglied des Allgäuer Motorradklubs „Black Riders“. Deren Mitglieder betrieben seinerzeit ein Vereinsheim in Lauben bei Kempten – den Gasthof „Löwen“, den sie von der Gemeinde gepachtet hatten. Die Biker waren in Lauben auch nicht unbedingt unbeliebt. Wie aber nun bei der Verhandlung zur Sprache kam, stehen inzwischen viele Mitglieder des Klubs unter Verdacht, in Drogengeschäfte verwickelt gewesen zu sein.
Hauptakteur bei den „Black Riders“war offenkundig der 41-Jährige, der in engem Kontakt zu einem heute 52-Jährigen aus dem Raum Böblingen stand, der wiederum früher jahrelang Mitglied der berüchtigten „Hell’s Angels“war. Insgesamt elf Mal sollen sich die beiden laut Anklage auf dem Pendlerparkplatz an der A 7-Abfahrt Memmingen-süd getroffen haben. Das Muster war immer dasselbe: Kurz vorher gab es eine SMS zwischen den beiden. So stellte der 41-Jährige mit der Nachricht „Holst Du mich diese Woche noch für zweieinhalb Tage?“das Kaufgesuch. Die knappe Antwort „Hole Dich am Freitag“des 52-Jährigen besiegelte dann den Deal. Der Code bedeutete, dass man sich am Freitag am Parkplatz trifft, immer zur gleichen Zeit, nämlich um 7 Uhr in der Früh. Und „zweieinhalb“ bedeutete 250 Gramm Kokain in ausgezeichneter Qualität.
Bestellt wurden meist „zweieinhalb Tage“für 15000 Euro oder „drei Tage“für 18 000 Euro in bar. Laut Anklage sei das Kokain dann in Lauben mit Milchzucker deutlich gestreckt und vor allem am Vereinsheim dann zu 70 Euro pro Gramm weiterverkauft worden. Bei Ermittlungen der Polizei gegen einen anderen Drogenhändler aus dem Raum Rottweil waren Name und Machenschaften des 41-Jährigen, der bislang ohne Vorstrafen ist, genannt worden. Die Polizei überwachte daraufhin das Telefon des Oberallgäuers und beobachtete die Drogengeschäfte der beiden Männer in Memmingen zunächst nur – bis die Beamten sie im April 2016 auf frischer Tat festnahmen. Seitdem sitzen sie in U-haft.
Laut suchtmedizinischem Gutachten ist der 52-Jährige schwer kokainabhängig und einschlägig vorbestraft. Gutachter Norbert Ormanns, Chefarzt der Kaufbeurer Klinik für Forensik, bescheinigte dem Mann, „ausgebrannt“zu sein. Er sei bereit für eine Therapie vor Antritt der Haftstrafe. Der 41-Jährige, der einen solchen Weg bislang ablehnte, will sich nun auch bis zum nächsten Verhandlungstag begutachten lassen. Das Gericht hatte für ihn einen Strafrahmen von viereinviertel bis fünf Jahren und für den 52-jährigen von siebendreiviertel bis achteinhalb Jahren genannt.