Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Siemens Musikpreis geht an einen Pianisten
Bekanntgabe Pierre-laurent Aimard erhält die 250 000-Euro-auszeichnung. Seine Karriere verlief ungewöhnlich
München/augsburg Der Ernst-vonsiemens-musikpreis ist stets für eine Überraschung gut. Nicht, dass der Preisträger dieses Jahres der mit 250 000 Euro dotierten Auszeichnung nicht würdig wäre, bewahre! Überraschend vielmehr ist, dass es sich diesmal um einen Pianisten handelt. Aber um was für einen: Pierre-laurent Aimard ist unter den Tastenmagiern heutiger Zeit gewiss derjenige, der wie kein Zweiter die ganze Spannbreite seines Instruments ausmisst. Von den Anfängen bei Bach über die Großen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bis hin zum Zeitgenössischen in seiner ganzen Formenvielfalt reicht das Repertoire des 59-jährigen Franzosen.
Das Besondere an Aimard freilich ist, dass er sich die Tradition seines Instruments, anders als zumeist üblich, in zeitlich gegenläufiger Richtung erschlossen hat. Begann er doch als erklärter Spezialist für die Avantgarde, als Pierre Boulez den damals gerade 19-Jährigen zum Solopianisten in sein Ensemble Intercontemporain berief. Erst in den 90er Jahren, als Aimard seine Solokarriere startete, erfolgte die intensivere Auseinandersetzung mit voraufgegangenen Epochen. Aimard erarbeitete sich die Klavierwelt der vorvergangenen Jahrhundertwende, die Musik Debussys vor allem, schritt zurück zu Liszt und zu Beethoven, kam schließlich zu Bach. Seine Aufnahme des „Wohltemperierten Klaviers“ist eine der Maßstab setzenden Aufnahmen dieses Klavierkosmos überhaupt. Aimard ist dabei immer ein erklärter Fürsprecher des Zeitgenössischen geblieben. Der Pianist war und ist Widmungsträger und Erstinterpret zahlreicher Werke der Neuen Musik. Gewiss stammt aus dieser Auseinandersetzung seine Strukturierungs- und Differenzierungskunst mit her, und so lobt ihn die Jury des Siemensmusikpreises zu Recht als „einen Pianisten des Lichts und der Farben, der alles, was er spielt, klar und lebendig werden lässt“. Verliehen wird ihm die Auszeichnung Anfang Juni in München.