Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ist ein Fahrverbot für Kriminelle ungerecht?
Politik Wer straffällig wird, muss künftig mit Führerscheinentzug rechnen. Verkehrsexperten halten nichts von dem neuen Gesetz. Denn wer auf dem Land lebt, sei im Nachteil
Goslar Der Plan der Bundesregierung, ein Fahrverbot als mögliche Strafe bei kriminellen Vergehen einzuführen, stößt beim Deutschen Verkehrsgerichtstag (VGT) auf erheblichen Widerstand. Damit habe sich das Bundeskabinett „gehörig vergaloppiert“, sagte Vgt-präsident Kay Nehm gestern bei der offiziellen Eröffnung des Expertenkongresses, der auch am heutigen Freitag noch in Goslar tagt.
Das Kabinett hatte kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) beschlossen, wonach Straftäter künftig auch den Entzug ihres Führerscheins fürchten müssen. Fahrverbote von bis zu sechs Monaten sollen als neue mögliche Sanktion künftig für alle Straftaten werden können.
Bisher können Straftäter nur für Verkehrsdelikte zu Fahrverboten von bis zu drei Monaten verurteilt werden. Zudem kann ein Führerschein eingezogen werden, wenn ein Auto bei einer schweren Straftat eine wichtige Rolle spielte, etwa bei einem Banküberfall oder einem Mord. Vgt-präsident Nehm wies darauf hin, dass sowohl der Verkehrsgerichtstag als auch der Deutsche Juristentag das Fahrverbot als allgemeine Strafe in der Vergangenheit wiederholt verworfen haben. Ihm sei unklar, was die Große Koalition jetzt zur Wiederbelebung des Plans veranlasst habe, sagte der frühere Generalbundesanwalt. Union verhängt und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, Fahrverbote als eine neue Sanktion bei Kriminellen zu schaffen, „für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt“.
Er sehe bei den derzeitigen Möglichkeiten keine Defizite, sagte Nehm. „Bei einem Höchstsatz von 360 Tagessätzen zu jeweils 30 000 Euro möchte ich denjenigen sehen, der dies nicht als Strafe empfindet.“Der ADAC machte rechtliche Bedenken geltend. Fahrverbote könnten nur auf die Inhaber einer Fahrerlaubnis angewendet werden, die auch Besitzer eines Kraftfahrzeugs sind, sagte der Leiter der juristischen Zentrale, Markus Schäpe. Die Folgen des Fahrverbots könnten unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben. Sie reichen nach Darstellung des ADAC im Einzelfall bis zum Existenzverlust. So sieht es auch Vgt-präsident Nehm: „Straftäter müssen durch Strafe gleich getroffen werden. Nur so erreicht man Akzeptanz in der Bevölkerung.“Der Automobilclub von Deutschland (AVD) sieht ebenfalls „eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung“von Tätern. „Bewohner von Städten mit gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr trifft eine solche Maßnahme weniger als Bewohner ländlicher Regionen. Wer auf seinen Führerschein angewiesen ist, um seine Arbeitsstelle zu erreichen, ist ungleich härter bestraft“, sagte Sprecher Herbert Engelmohr.