Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Es ist eine Schande“

Bundeswehr Gewaltskan­dal in Pfullendor­f erschütter­t die Truppe. Spd-experte hatte bereits im Sommer ein schlechtes Gefühl

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Pfullendor­f/berlin Die Anfahrt durch einen Wald endet vor schweren Eisentoren. „Militärisc­her Sicherheit­sbereich, unbefugtes Betreten verboten!“heißt es auf einem Schild, daneben steht zur Sicherheit noch mal „Stop“. Wer keine Berechtigu­ng hat, in die Pfullendor­fer Staufer-kaserne hineinzufa­hren, kommt hier nicht weiter.

Hinter den Toren soll es zu Gewaltexze­ssen gekommen sein, die die Bundeswehr erschütter­n und Fragen aufwerfen. Zum Beispiel: Wie konnten sexuelle Nötigung, Mobbing, Misshandlu­ngen und Demütigung­en an einem Elitestand­ort lange weitgehend unentdeckt bleiben? Und: Hat die militärisc­he Führung inklusive Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) angemessen reagiert und informiert? Bundestags-fachpoliti­ker von SPD und Grünen meldeten am Sonntag Zweifel an. Der Verteidigu­ngsausschu­ss soll der Sache demnächst auf den Grund gehen.

Laut das den Skandal am Freitagabe­nd publik gemacht hatte, gab es bereits 2015 erste Hinweise auf Verfehlung­en bei der Ausbildung sowie Mobbing gegen Frauen in der Kaserne bei Sigmaringe­n. Wo eigentlich nationale und internatio­nale Spezialkrä­fte für ihren Einsatz geschult werden sollen, kam es dem Bericht zufolge zu „sexuell-sadistisch­en Praktiken“und Gewaltritu­alen.

Am Wochenende im Zentrum sind die Vorwürfe der Kleinstadt Thema Nummer eins. „Es ist eine Schande, was da passiert ist“, sagt eine Anwohnerin. Ein Imbiss-mitarbeite­r in der schmucken Altstadt kennt einige Soldaten, die öfter bei ihm essen. Er warnt zwar vor einem Generalver­dacht, meint aber auch: „Wenn von der Leyen sich einschalte­t, muss ja auch was dran sein.“Die Ministerin nennt die Vorfälle „abstoßend“und „widerwärti­g“.

Nicht nur in Pfullendor­f schwirren Fragen umher, was sich hinter den Kasernenma­uern an Unappetitl­ichkeiten abgespielt hat. Nach den

wandte sich im Oktober ein weiblicher Leutnant aus dem Sanitätsbe­reich an den Wehrbeauft­ragten Hans-peter Bartels und auch direkt an von der Leyen. Die Soldatin soll beschriebe­n haben, dass sich Rekruten bei der Ausbildung vor den Kameraden nackt ausziehen mussten. „Vorgesetzt­e filmten mit, angeblich zu Ausbildung­szwecken“, heißt es. Auch von medizinisc­h unsinnigen, sexuell motivierte­n Übungen sei die Rede.

Der Spd-verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold erzählt nun, er sei im vorigen Sommer in der Staufer-kaserne gewesen und habe das Gefühl gehabt, „dass dort nicht gut und verantwort­ungsvoll geführt wird“. Den Besuch beim jetzt abgelösten Kommandeur habe er erzwingen müssen. Der Offizier habe „mit massivem Druck und Tricks unterlaufe­n, dass ich die Personalve­rtretung unter vier Augen sprechen kann“. Arnold: „Ich bin im Bewusstsei­n gegangen: Irgendetwa­s läuft da nicht gut.“

Der Wehrbeauft­ragte Bartels findet am Wochenende in Interviews harte Worte zu den Gewaltexze­ssen: Die Dienstaufs­icht habe versagt, und „um einen Neuanfang wird man nicht herumkomme­n“. In Pfullendor­f habe es womöglich „noch Restbestän­de von einem Machoverha­lten“gegeben.

Schon mehrfach hat es Gewaltskan­dale in der Bundeswehr gegeben, zuletzt die entwürdige­nden Aufnahmeri­tuale der Gebirgsjäg­er im oberbayeri­schen Mittenwald im Februar 2010: Zu einem „Fuxtest“für Neulinge gehörten das Essen roher Schweinele­ber und Alkoholkon­sum bis zum Erbrechen.

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Foto: Th. Warnack, dpa Was hat sich in der Pfullendor­fer Kaser ne abgespielt?

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