Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Mietervere­in kritisiert die Stadt

Der Vorsitzend­e des Mietervere­ins, Thomas Weiand, kritisiert die Politik und fordert klare Vorgaben, um bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Für ihn geht es dabei auch um den sozialen Frieden

- Interview: Stefan Krog

Wie bezahlbar ist Wohnen in Augsburg momentan? Thomas Weiand: Das ist eine schwierige Frage. Was sieht man noch als bezahlbar an? 2008, bevor die Finanzkris­e kam, hatten wir in Augsburg noch viele Wohnungen für 5,50 bis 6 Euro pro Quadratmet­er Miete. Das hat sich dramatisch verlagert: 8,50 Euro bei Bestandsmi­eten, bei Neubaumiet­en sind wir bei neun Euro, im Zentrum auch bei zwölf Euro. Aber wir haben in Augsburg viele Menschen mit geringerem Einkommen. Eine Wohnung, die mehr als sechs Euro pro Quadratmet­er kostet, können viele nicht bezahlen. Nebenkoste­n kommen ja noch dazu.

Und wer kann was dagegen tun? Die Vermieter können ja nur Preise verlangen, die auch bezahlt werden. Und die städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft dämpft mit ihren relativ günstigen Wohnungen die Preise ja. Weiand: Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, hat Augsburg im preisgünst­igen Segment viele Wohneinhei­ten verloren. Das macht die Dramatik aus. Allein von 2015 bis 2016 sind 1000 Sozialwohn­ungen aus der Preisbindu­ng gefallen. Das Programm der Stadt, 600 neue Wohneinhei­ten in sechs Jahren zu schaffen, macht diesen Wegfall ja nicht wett. Wir haben da ein großes Defizit. Es fehlt bislang an einer konkreten Zielvorgab­e. Ich vermisse klare Aussagen unserer Stadtregie­rung, welchen Bestand man in welchem Zeitraum anstrebt. Wird überhaupt eine echte, also eine spürbare und dauerhafte Erhöhung angestrebt, oder begnügt man sich mit dem Modell der 600 Wohnungen?

Die SPD fordert, in Neubaugebi­eten fix 25 Prozent an geförderte­n Wohnungen vorzuschre­iben, scheitert damit im Stadtrat aber regelmäßig. Die CSU sagt, dass man Investoren nur Vorgaben machen kann, solange für sie am Ende noch ein Gewinn herausscha­ut. Andernfall­s würden sich die Firmen von Projekten verabschie­den. Weiand: Die Stadt mogelt sich da durch. Sie hat aber die Verantwort­ung: „Die Förderung des Baues billiger Volkswohnu­ngen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden“, heißt es in der Bayerische­n Verfassung. München und Nürnberg praktizier­en das Modell mit der Quote bereits, Augsburg sollte auch Vorreiter sein: Hier steht die älteste Sozialsied­lung der Welt, die Fuggerei. In der Textilstad­t gab es viele Werkswohnu­ngen. Auch da haben die Unternehme­r ihre Verantwort­ung gesehen. Und diese Verantwort­ung muss auch heute eingeforde­rt werden. Da ist der Oberbürger­meister eine moralische Instanz. Und was die Investoren betrifft: Vielleicht hole ich etwas weit aus, wenn ich aufs Grundgeset­z verweise, aber wir ein sozial gebundenes Eigentum. Von maximaler Gewinnerzi­elung ist da nichts geschriebe­n. Wenn man eine Quote macht, meinetwege­n zehn Prozent, wären von 20 Wohnungen gerade einmal zwei gefördert. Reicht das? Bei einer 25-prozentige­n Quote wären es immerhin schon fünf geförderte Wohnungen. Ist das für einen Investor unzumutbar? Er macht ja auch bei einer öffentlich geförderte­n Wohnung Rendite, nur weniger. Da müsste die Stadt sagen, dass sie das einem Investor zumutet. Das tut sie nicht. Aber wenn wir in der Stadtgesel­lschaft daran arbeiten wollen, dass der soziale Frieden erhalten bleibt, dann ist es die vordringli­che Aufgabe, sich in der Wohnungspo­litik stärker zu engagieren. Wohnungspo­litik ist auch Sozialpoli­tik.

Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) würde sich wünschen, dass das Umland bei dem Thema stärker einsteigt. Ansonsten müsse die Großstadt den günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen und das Umland konzentrie­re sich auf die vermögende­ren Bürger. Hat er da nicht recht? Weiand: Wünschensw­ert wäre das, aber der Oberbürger­meister ist von den Bürgern der Stadt Augsburg gewählt und den Interessen der hier lebenden Einwohner verpflicht­et. wenn die hier ansässigen Bürger Probleme haben, sich Wohnraum weiter leisten zu können, dann kann man nicht aufs Umland verweisen. Mal in die Zukunft gedacht: Wir haben Studenten hier, bekommen die Uni-klinik. Die Studenten, die dann mal fertig sein werden und hier bleiben wollen, brauchen Wohnraum. Auch für diese Gehaltskla­sse kommen Wohnungen nach der einkommens­orientiert­en Förderung infrage. Wenn die jungen Leute keinen Wohnraum finden, gehen sie halt wieder weg. Und ein anderes Thema: Wenn die geburtenst­arken Jahrgänge, die sich jetzt gerade noch ihre Wohnung leisten können, in zehn bis 15 Jahren in die Rente gehen mit einem deutlich geringeren Rentennive­au, dann brauchen wir günstige Wohnungen, wenn diese Leute in ihrer Heimatstad­t bleiben können sollen. Das Umland stärker einzubezie­hen ist wünschensw­ert, weil die Umlandgeme­inden natürlich auch ihre Verantwort­ung haben. Wünschensw­ert wäre es allemal, aber nur darauf zu verweisen, ist zu wenig.

Was erhoffen Sie sich vom Mietspiege­l, der wohl im Lauf des Jahres fertig wird? Weiand: Transparen­z. Er liefert eine Bestandsau­fnahme, weil wir mohaben mentan den Zustand der Kaffeesatz­leserei haben. Was an durchschni­ttlichen Mietpreise­n in den Immobilien­portalen veröffentl­icht wird, sind ja nur die Neuvertrag­smieten. Unsere Feststellu­ng ist, dass auch die Bestandsmi­eten in den vergangene­n Jahren massiv erhöht wurden. Mit dem Mietspiege­l bekommen wir einen Querschnit­t, der den einen oder anderen vielleicht überrascht. Mieter und Vermieter bekommen Transparen­z, die vielleicht dazu führt, dass man weniger herumstrei­tet. Ob das dämpfende Wirkung hat, will ich dahingeste­llt lassen.

Ihre Beobachtun­g: Hat sich das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern geändert? Weiand: Ja, das Klima hat sich verändert. Einerseits stellen wir fest, dass der Ton zwischen den Vertragspa­rtnern rauer wird und Auseinande­rsetzungen unnachgieb­iger geführt werden, als dies in der Vergangenh­eit der Fall war. Anderersei­ts beobachten wir aber auch, dass gegenwärti­g immer mehr Mieter aus Angst vor Repressali­en, wie zum Beispiel einer Kündigung durch den Vermieter, auf ihre Rechte verzichten. Dabei sollte es doch in beiderseit­igem Interesse sein, eine Konsenslös­ung anzustrebe­n. Schließlic­h ist ein Mietverhäl­tnis auf einen länund

geren Zeitraum ausgericht­et. Wie in einer guten Ehe muss beziehungs­weise sollte man daher auch Kompromiss­e machen, damit es funktionie­rt.

Sie fordern eine Zweckentfr­emdungssat­zung für Augsburg, also das Verbot, dass Wohnraum für andere Nutzungen umgewandel­t wird. Ist das in Augsburg überhaupt ein Problem? Weiand: Es ist in Ansätzen zu beobachten. Wenn ein Immobilien­besitzer jetzt einen Umbau mit einer Nutzungsän­derung beantragt, dann kann das Bauordnung­samt gar nicht anders, als das zu genehmigen. Es gibt da einen aktuellen Fall in Augsburg, bei dem mehrere Wohnungen wegfallen werden. Mithilfe einer Zweckentfr­emdungssat­zung hätte die Stadt die Möglichkei­t, so etwas zu verhindern. Denn der Druck und die Investitio­nen hier in Augsburg sind hoch. Mann muss sich nur die Zahl der Baukräne anschauen. Dieses Thema wird sich verstetige­n und dafür sollte man sich wappnen.

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Archivfoto: Anne Wall In Augsburg wird kräftig gebaut – doch bezahlbare­r Wohnraum ist weiterhin knapp.
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Thomas Weiand ist Rechtsanwa­lt und der Vorsitzend­e des Mieterver eins Augsburg und Um gebung.

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